Text: Luisa Andronowski
Der Umgangston in der Gesellschaft ist rauer geworden – zu diesem Schluss kommt Jenke von Wilmsdorff in seiner Reportage „Jenke Report“. Auf seiner Recherchereise quer durch Deutschland beleuchtet er den Zustand des sozialen Klimas und macht die Beobachtung: Ob in der Politik, an Schulen, am Arbeitsplatz oder in den sozialen Medien – Konflikte eskalieren zunehmend und nehmen oftmals aggressive Züge an.
Doch warum kommt es dazu? Und können wir noch etwas verändern? Der Reporter trifft sich mit Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, um diese Fragen zu klären.
Kriminaldelikte mehren sich
Auch ein Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt diese Tendenz: Seit Jahren verzeichnet sie einen Anstieg politisch motivierter Angriffe, Hasskriminalität und Gewalt unter Jugendlichen. Der raue Umgang, den von Wilmsdorff beobachtet, kann somit auch anhand von Fallzahlen belegt werden. Interessanterweise fällt das Jahr 2020 als Ausnahme auf: Die Corona-Pandemie führte einerseits zu einem Rückgang bestimmter Straftaten, wird jedoch gleichzeitig von Expert*innen als einer der Gründe für die gesellschaftliche Polarisierung benannt. Isolation, der Verlust geliebter Menschen, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Instabilität haben die Menschen stark belastet. Diese Faktoren haben nicht nur Konflikte zu Hause verschärft, sondern auch den allgemeinen sozialen Unmut verstärkt.
Soziale Medien als Brandbeschleuniger
Von Wilmsdorff betont in seinem Report besonders die Rolle der sozialen Medien als treibende Kraft hinter den wachsenden Aggressionen. Phänomene wie Echokammern und Filterblasen, die typisch für soziale Medien sind, verstärken radikale Meinungen und fördern extremistische Haltungen. Hierbei filtern Algorithmen gezielt Inhalte auf Grundlage von Nutzungsgewohnheiten und sorgen dafür, dass Nutzer*innen häufig nur noch mit ähnlichen Überzeugungen konfrontiert werden. Dies bestärkt nicht nur die eigene Sichtweise, sondern verringert auch die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen. Gleichzeitig verleitet die Anonymität in den sozialen Medien Menschen dazu, aggressiv zu kommentieren – oft in einer Weise, wie sie es im realen Leben nie tun würden. Die Distanz zwischen dem „Online-Selbst“ und der Realität erlaubt es vielen, sich im Netz anders zu verhalten als im echten Leben, was langfristig das soziale Miteinander belastet.
Die Trennung von Online- und Offline-Welt
Ein zentrales Element des „Jenke Reports“ ist die Frage, ob sich das aggressive Verhalten im Netz auch auf das reale Leben überträgt. In eindrucksvollen Experimenten konfrontiert von Wilmsdorff Menschen mit ihren eigenen aggressiven Kommentaren und fragt, ob sie diese auch im persönlichen Gespräch äußern würden – eine Frage, die sich jede Person zu Herzen nehmen sollte, die regelmäßig in sozialen Medien aktiv ist. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Viele Menschen erkennen die Diskrepanz zwischen ihrem Online- und Offline-Verhalten und sind in der realen Welt zurückhaltender und konfliktvermeidender. Die Trennung zwischen digitaler und realer Identität ist deutlich und zugleich wird klar, dass die raue Kommunikation im Netz nicht ohne Folgen für das soziale Miteinander bleibt – im Gegenteil: Sie macht sich zunehmend im realen Leben bemerkbar und prägt unseren Alltag.
Generationenabhängige Wahrnehmung und Respekt
Ein weiterer Aspekt, der aus Wilmsdorffs Report hervorgeht, ist der generationenabhängige Umgang mit Kommunikation und Respekt. Ältere Menschen beklagen den Verlust von Höflichkeit und sozialer Rücksichtnahme, während jüngere Generationen den direkten Ton als authentisch und effizient verteidigen. Diese unterschiedlichen Perspektiven führen zu Missverständnissen und vertiefen die gesellschaftliche Kluft. Ein Dialog, der Verständnis für die jeweils andere Perspektive schafft, könnte helfen, diese zu überwinden.
Eine Chance für Veränderung
Trotz der besorgniserregenden Entwicklungen gibt der „Jenke Report“ auch Anlass zur Hoffnung. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem raueren Klima kann ein erster Schritt sein, um dem Trend entgegenzuwirken. Besonders der Aspekt des gegenseitigen Respekts, unabhängig von Alter, Herkunft oder Perspektive, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ein offener und respektvoller Dialog, der auf Verständnis und Wertschätzung basiert, könnte helfen, den rauen Ton zu mildern und Brücken zu bauen. Von Wilmsdorffs Arbeit zeigt, dass es möglich ist, den Diskurs wieder zivilisierter und erfreulicher zu gestalten – aber nur, wenn wir bereit sind, unser eigenes Verhalten zu reflektieren und aufeinander zuzugehen.
Zur Autorin:
Luisa Andronowski studiert Kommunikationswissenschaft im Bachelor und ist aktuell Praktikantin im Personal- und Produktmarketing. Gesellschaftliches Miteinander steht für sie dabei stets im Fokus.