Wer kennt es nicht: das Phänomen der Neujahrsvorsätze. Zwischen den Jahren haben wir viel Zeit investiert und überlegt, was sich im nächsten Jahr alles ändern soll. Wir waren der festen Überzeugung, zumindest in diesem Jahr, das ein oder andere wirklich auf Dauer umsetzen zu können. Man nehme das allseits beliebte Beispiel „mehr Sport machen“ oder auch „bewusstere Kaufentscheidungen treffen“. Und schwups, ein halbes Jahr später stehen die brandneuen Laufschuhe immer noch an gewohnter Stelle unbenutzt im Schrank.
Anstelle der sinnhaften Vorsätze waren die alten Gewohnheiten stärker und wieder fragen wir uns, warum ist das eigentlich so? Warum können wir uns nicht bewusst für neue Verhaltensweisen entscheiden oder auf Dauer die für uns schlechten Muster ablegen?
Per se sind Gewohnheiten eigentlich gar nicht so schlecht. Wussten Sie, dass wir an einem Durchschnittstag insgesamt knapp 20.000 Entscheidungen treffen?! Wenn all diese Entscheidungen bewusst ablaufen würden – zum Beispiel, wenn wir über jede Bewegung beim Autofahren aktiv und bewusst nachdenken müssten oder jedes Mal überlegen würden, mit welchen Bewegungen wir unsere Zähne putzen, wäre es absolut zeitraubend und vor allem sehr anstrengend. Unser Gehirn hätte bei solchen Abläufen keine Kapazität, das alles innerhalb der 24 Stunden zu verarbeiten.
Diese Thematik ist uns nicht nur aus unserer Freizeit bekannt, sie spielt auch in unserer Arbeitswelt eine wichtige Rolle. Man nehme an, jeder Klick auf dem Laptop oder jedes Verkaufsgespräch müsste aktiv hinsichtlich der Wortwahl und der einzelnen Bewegungen koordiniert und gesteuert werden. Auch hier würden viel zu viele Kapazitäten verbraucht werden.
Durch Gewohnheiten haben wir den Vorteil, dass unser Gehirn quasi auf Autopilot laufen kann. Wir sparen somit eine Menge Energie und können effizient durch den Alltag kommen. Dieser Effekt verstärkt sich logischerweise durch jede einzelne Wiederholung eines gewohnten Verhaltensmusters. Von außen können Umgebungsfaktoren gewohntes Verhalten zusätzlich noch einmal verstärken. Dass eine bewusste Verhaltensänderung oftmals schwierig ist und uns viel Energie kostet, zeigt auch folgende Übung:
Bitte falten Sie zunächst einmal Ihre Hände. Nun vertauschen Sie jeweils die Positionen Ihrer beiden Daumen. In einem nächsten Schritt vertauschen Sie auch die Positionen aller anderen Finger. Halten Sie kurz inne und überlegen Sie, wie sich das für Sie anfühlt.
Bei den meisten Menschen meldet sich bei dieser Übung ein Störgefühl, nach dem Motto: “Irgendwas stimmt hier nicht!”. Das, was hier zurückgemeldet wird, ist der deutlich höhere Energieaufwand, der bei einer bewussten Entscheidung und somit Veränderung im Gegensatz zur Gewohnheit aufgewendet werden muss. Es braucht ungefähr ein Vierteljahr, bis wir diese Fehlermeldung nicht mehr erhalten. Erst dann hat die bewusste Entscheidung die alte Gewohnheit abgelöst.
Diese kurze Übung zeigt anschaulich, dass Gewohnheiten sinnvoll im Alltags- sowie Berufsleben sind, dass es jedoch auch Kontexte gibt, in denen sie im Gegensatz zu unseren eigentlichen Entscheidungen stehen. Die Extra-Energie, die wir für das Handeln entgegen unseren Gewohnheiten aufwenden müssten, verhindert in vielen Fällen, dass Veränderungen auf Dauer gelingen.
Vor allem im Arbeitskontext ist jedoch aktives Wahrnehmen und Umsetzen von größter Bedeutung für notwendige Veränderungen. Dies liegt an einer sich immer schneller verändernden Welt und Arbeitsumgebung, die eine proaktive Antwort von uns fordert. Ein Beispiel ist das vermehrte Arbeiten im Homeoffice oder der immer schneller voranschreitende, technologische Fortschritt, der Einzug in unseren Arbeitsalltag hält.
Unsere Gewohnheiten bewirken, dass wir an liebgewonnenen Verhaltensweisen festhalten möchten und diese nicht mehr hinterfragen. Hierdurch entsteht das Risiko, in bestimmten Bereichen abgehängt zu werden, z. B., indem eine Entscheidung nicht hinsichtlich neuer technologischer Entwicklungen geprüft und angepasst wird. Wir können somit notwendige Veränderungen nicht mehr aktiv anstoßen, sondern lassen sie geschehen und reagieren erst im Nachhinein.
Es ist jedoch erwiesen, dass eine bewusste und sinnhafte selbstgestaltete Veränderung zu mehr Selbstzufriedenheit führt und uns auf Dauer auch glücklicher macht. Das Aufbrechen von Gewohnheiten bietet also viele Chancen. Die bewusste Auseinandersetzung mit sinnhaften, übergeordneten Zielen und den Vorteilen, die durch diese Veränderung hervorgerufen werden, hilft dabei, die nötige Energie aufzubringen, um am Ball zu bleiben.
Ganz eindrucksvoll wurde uns das in der Pandemie gezeigt. Mit Kolleginnen und Kollegen bzw. Kundinnen und Kunden im Austausch zu bleiben, wurde stark durch weitreichende Schließungen im öffentlichen Leben und den starken Einschränkungen innerhalb der Arbeitswelt erschwert. Diejenigen, die im Vorfeld bereits gut aufgestellt waren z. B. hinsichtlich eines Social Media-Auftritts, digitaler Kommunikationsmöglichkeiten oder technologischer Fähigkeiten, waren und blieben die ganze Zeit über mehr oder weniger handlungsfähig. Diejenigen hingegen, die ihre altbewährten Verhaltensweisen nicht auf Sinnhaftigkeit und Aktualität hin überprüft haben, mussten vieles erst neu lernen und hatten es bei diesen Veränderungen weitaus schwerer.
Wir kommen im Kontext einer sich immer weiter verändernden Arbeitswelt also nicht drum herum, uns freiwillig oder auch unfreiwillig mit den eigenen Alltagsroutinen und Gewohnheiten vertiefter auseinanderzusetzen. Wer jedoch stets die persönlichen Vorteile vor Augen hat und die großen Chancen einer Veränderung in den Vordergrund stellt, dem gelingt eine bewusste und auch nachhaltige Verhaltensänderung.
Dies haben auch wir zum Anlass genommen und uns noch einmal gefragt: Sind wir wirklich neugierig genug und möchten unser Wissen und unsere Handlungsmuster erweitern? Was wäre der wirkliche Antrieb und eine sinnhafte Motivation, um unsere Neujahrsvorsätze auf lange Sicht umzusetzen und wollen wir wirklich sinnvolle und nachhaltige Entscheidungen für uns treffen?
Zurück zu unserem Eingangsbeispiel: Vielleicht sollten wir uns nicht dieses Jahr nur um des Laufens Willens den ersten Marathon-Lauf als Selbstzweck vornehmen. Könnte es nicht stattdessen eine sinnhaftere Entscheidung sein, unsere Motivation damit zu begründen, einen auf Dauer gesunden und aktiven Lebensstil als übergeordnetes Ziel zu verfolgen?
Und mit einem derartigen Motivationsschub liefe es sich doch gleich viel einfacher und häufiger.
■ Maria Molitor
■ Eva Wilgenbus