3/2021 Ein Fall für evolutionäre Anpassungen – Erste Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen im Schadenfall

In den vergangenen Jahren sind die Zulassungszahlen bei Elektrofahrzeugen deutlich gestiegen. Besonders durch die finanzielle Förderung (Umweltbonus) wird dieser Trend hierzulande noch verstärkt. Da immer mehr Autohersteller auf Elektrofahrzeuge setzen und teilweise bereits Termine für den Abschied vom Verbrennungsmotor verkündet haben, muss man davon ausgehen, dass auch zukünftig immer mehr Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind. Es stellt sich daher die Frage, welche Besonderheiten sich hieraus für den Schadenfall ergeben.

Treten bei Elektrofahrzeugen häufiger Brandschäden auf?
In den Medien wurde in den vergangenen Monaten immer wieder von brennenden Elektrofahrzeugen berichtet. Nach bisherigen Erkenntnissen geraten Elektrofahrzeuge jedoch nicht häufiger in Brand als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Wenn es jedoch zu einem Brand kommt, kann das Löschen aufwendiger sein. Hierbei ist besonders auf die Batterie zu achten. Dort kann es auch dann, wenn der eigentliche Brand bereits gelöscht ist, immer wieder zu Kurzschlüssen kommen. Die Feuerwehren stellen sich zunehmend hierauf ein, indem sie spezielle Schutzdecken oder Löschcontainer anschaffen. Wenn es zu einem Brand kommt, können die Löschkosten daher höher sein als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Andererseits kommen Schäden durch auslaufende Flüssigkeiten wie Öl oder Kraftstoff nicht mehr vor. In diesem Punkt verursachen Elektrofahrzeuge bauartbedingt weniger Schäden als konventionelle Fahrzeuge.

Die Batterie – das unbekannte Wesen?
Der Umgang mit der Fahrzeugbatterie wirkt sich auf verschiedene Facetten der Schadenregulierung aus. Es ist damit zu rechnen, dass sich alle Beteiligten darauf sukzessive einstellen und feste Abwicklungsprozesse etablieren.

Nach einem Unfall dürfen am elektrischen Hochvolt-System eines Fahrzeugs nur Personen tätig werden, die besonders geschult sind. Dies hat für Abschleppunternehmer ebenso Konsequenzen wie für Kraftfahrzeug-Sachverständige und Mechatroniker. Da es sich bei Batterien um Gefahrgut handelt, gibt es für den Transport und die Lagerung eines Elektrofahrzeugs besondere Regelungen, die möglichen Risiken vorbeugen sollen.

Dazu gehören insbesondere europäische Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter, Vorgaben der gesetzlichen Unfallversicherung und Informationen der Fahrzeughersteller.

Darüber hinaus stellen sich noch viele zu klärende Fragen im Zusammenhang mit der Fahrzeugbatterie. Was ist der Maßstab dafür, wann eine Fahrzeugbatterie defekt ist und ausgetauscht werden muss? Welche Möglichkeiten der Reparatur gibt es? Wie lässt sich der Wiederbeschaffungswert einer Batterie bestimmen? Für die Beantwortung dieser und weiterer Fragen ist teilweise ein enger Austausch mit den Fahrzeugherstellern erforderlich.

Der politische Wille, mit Elektroschrott umweltschonend umzugehen, hat sich in gesetzlichen Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene niedergeschlagen. Die Entsorgung von Batterien ist im Batteriegesetz geregelt: Hersteller müssen Fahrzeugbatterien zurücknehmen und diese dann mit hohen Recyclingzielen verwerten. Nach der Altfahrzeugverordnung sind sie auch verpflichtet, ganze Fahrzeuge zurückzunehmen.

Brauchen Elektrofahrzeuge einen besonderen Versicherungsschutz?
Zusätzliche Komponenten für den Betrieb von Elektrofahrzeugen und die Besonderheit der teuren Batterien können zu einem ergänzenden Absicherungsbedürfnis bei Haltern von Elektrofahrzeugen führen. So ist womöglich die Abdeckung von Schäden an mobilen Ladestationen und Ladekabeln sinnvoll. Um Auseinandersetzungen zur Ursache eines Defektes an der Batterie von vornherein zu vermeiden, hilft zudem eine Allgefahrendeckung. Darüber werden Schäden an einer Fahrzeugbatterie nicht nur ersetzt, wenn einer der bekannten Versicherungsfälle wie Unfall, Brand oder Überschwemmung vorliegt: Mit wenigen Einschränkungen (zum Beispiel Garantiefall des Herstellers oder Verschleiß) sind über die Allgefahrendeckung alle Ereignisse abgesichert, denen eine Batterie ausgesetzt sein kann. Viele Autoversicherer – wie zum Beispiel auch die LVM Versicherung – haben sich auf Elektrofahrzeuge bereits eingestellt und den Schutzumfang der Kaskoversicherung erweitert.

Fazit: Elektrofahrzeuge werden die Schadenregulierung nicht revolutionieren, sondern machen eher evolutionäre Anpassungen erforderlich. Diese sind vielerorts bereits umgesetzt: Halter von Elektrofahrzeugen treffen schon heute im Schadenfall auf eine Infrastruktur, die schnell und umfangreich Hilfe sicherstellt.

■ Matthias Baumeister

IGU e. V.