4/2020 Bewertungsportale im Internet: Fluch oder Segen?

In Zeiten von Google und Co. ist es üblich, einen Anbieter oder Dienstleister online zu recherchieren. Laut einer Studie aus 2019 von Bright Local lesen 93 Prozent aller Befragten mindestens gelegentlich Kundenbewertungen, um zu entscheiden, ob ein Unternehmen vertrauenswürdig ist oder nicht. 35 Prozent checken nach eigenen Angaben tatsächlich jedes Mal, wie ein bestimmtes Unternehmen oder Produkt bewertet worden ist, bevor sie einkaufen. Nur sieben Prozent lesen vor dem Kauf keine Rezensionen.

Die Praxis zeigt, dass positive Bewertungen zur Umsatzsteigerung führen, während negative Beurteilungen das Kundeninteresse mindern. Jedem Unternehmer ist daher daran gelegen, möglichst viele gute Bewertungen zu erhalten und auf diesem Weg sein Image und seine Marktposition zu stärken beziehungsweise zu verbessern. Für die Umsatzsteigerung haben gleichermaßen Anzahl und Inhalt der Rezensionen Bedeutung.

Die Macht der Bewertungen im Entscheidungsprozess
Gute Bewertungen sind für den Unternehmer wie für den potenziellen Käufer von essenzieller Bedeutung. Eine weitere Studie aus 2019 von Capterra zeigt, dass Menschen eher den Bewertungen im Netz als den Einschätzungen von Experten oder den Empfehlungen von Freunden und Bekannten vertrauen. Weitere Umfragen haben ergeben, dass sich fast zwei Drittel der Käufer aufgrund besserer Bewertungen für ein anderes Produkt als das ursprünglich gesuchte entscheiden.

Bewertungen kaufen – eine Lösung?
Einige Unternehmer und Dienstleister vertrauen daher auf den Kauf von Bewertungen bei professionellen Dienstleistern. Diese werben mit Umsatzsteigerungen von bis zu 30 Prozent. Doch auch wenn sie mit „echten“ Rezensionen werben, ist Zurückhaltung geboten.

Das Bundeskartellamt hat Anfang Herbst zu mehr Verantwortung aufgerufen und vor allem Online-Portale und Suchmaschinen dazu aufgefordert, verstärkt gegen sogenannte Fake-Bewertungen für Produkte und Dienstleister vorzugehen. Es werde viel zu selten vorab überprüft, ob die Bewertungen tatsächlich von Käufern des Produkts stammten. Das Amt hatte zuvor in einer Untersuchung Nutzerbewertungen im Internet unter die Lupe genommen.

Allerdings kann das Bundeskartellamt keine Verfahren gegen einzelne Unternehmen einleiten, bei denen es den Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße gibt. Denn im Bereich Verbraucherschutz hat die Behörde keine entsprechenden Befugnisse. Kartellamtspräsident Andreas Mundt appelliert daher auch an die Verbraucher, einerseits Produktbewertungen kritisch zu betrachten und andererseits viele echte Bewertungen zu hinterlassen, um die Gewichtung der falschen Bewertungen kleinzuhalten.

Der richtige Umgang mit negativen und gefälschten Bewertungen

Für viele Unternehmer kommt ein negatives Feedback aus heiterem Himmel. Nur die wenigsten Kunden wenden sich bei Unzufriedenheit direkt an den Dienstleister oder Anbieter. Denn Online-Bewertungen können Kunden nicht nur anonym, sondern auch wesentlich leichter und schneller als eine direkte Beschwerde oder Mängelbekanntgabe abgeben. Bekannt ist auch, dass zufriedene Kunden eher selten bewerten, während unzufriedene Kunden Unternehmen oder deren Produkte häufig kritisieren und ihre Meinung über Bewertungsportale kundtun. Auch gefälschte Bewertungen von der Konkurrenz sind keine Seltenheit und werden zu einem ernsten Problem. Erweist sich eine Bewertung als falsch oder vermeintlich gefälscht, sollte der Unternehmer recherchieren und sich um ihre Löschung kümmern.

Gut zu wissen: Bei geschäftsschädigenden oder gar die Persönlichkeit verletzenden Rezensionen können professionelle Anbieter bei der Prüfung und Entfernung helfen. Manchmal ist dies sogar als Leistung in einer Rechtsschutzversicherung enthalten. Die LVM Versicherung beispielsweise vermittelt betroffene Kunden auf Wunsch an den Dienstleister „Dein guter Ruf “ und übernimmt die Kosten für fünf Löschungsversuche pro Jahr.

… und bei echten Bewertungen
Bei echten kritisierenden Bewertungen ist es ratsam, diese nicht generell zu entfernen. Auch wenn positive Bewertungen verkaufsfördernd sind, stehen Kunden einem Dienstleister oder Anbieter mit ausschließlich positiven Rezensionen ebenfalls skeptisch gegenüber.

Interessant: Nur die Hälfte der Kunden gibt an, jemals eine Reaktion des Unternehmens auf ihre Kundenbewertung bekommen zu haben. Und zwei Drittel äußern das Gefühl, dass Kundenbewertungen nicht oder nicht genug von den Unternehmen beachtet werden. Dabei kann es durchaus erfolgversprechend sein, Kunden in diesem Bereich sehr ernst zu nehmen und sogar zu Bewertungen aufzurufen. Je mehr echte Bewertungen es gebe, umso hilfreicher seien diese für die Entscheidung, betont zum Beispiel das Bundeskartellamt. Ein Anreiz für Bewertungen könnten laut dem Amt zum Beispiel Gutscheine, Gewinnspiele, Produkttests oder kleinere Geldbeträge sein, solange die Bewertungen danach verbraucherrechtskonform gekennzeichnet würden.

To-do-Liste für den Umgang mit Bewertungen
■ Binnen 24 Stunden reagieren
■ Ehrlich, freundlich, zurückhaltend antworten
■ Eigene Fehler einräumen
■ Sich entschuldigen, selbst wenn es keine eigenen Fehler gegeben hat
■ Eine Lösung und guten Service anbieten
■ Gegebene Versprechen hinterher einhalten
■ Darüber hinaus: Aktiv zufriedene Kunden zum Bewerten aufrufen
* https://www.brightlocal.com/research/local-consumer-review-survey/
** https://www.capterra.com.de/blog/687/online-bewertungen-in-deutschland
*** https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2020/06_10_2020_SU_Nutzerbewertungen.html
■ Anne Hilchenbach

IGU e. V.