Vor etwa 1.200 Jahren gab es in Deutschland die ersten „Schreiber“, bis ins 19. Jahrhundert hinein jedoch keine einheitlichen Schreibweisen. Das machte das Lesen und Verstehen von Texten schwierig – einer der Gründe, warum sich u. a. Konrad Duden mit den „Prinzipien der deutschen Orthographie und Interpunktion“ beschäftigte und auf Vereinheitlichung drängte.
1880 brachte er seinen ersten „Duden“ auf den Markt, das „Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“. Im Jahr 1902 trat erstmals eine amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in Kraft, die für ganz Deutschland Gültigkeit hatte. Diese wurde seitdem oft modifiziert, weiterentwickelt und viel diskutiert.
Seit 2005 gilt die „Neue deutsche Rechtschreibung“. Ich erinnere mich noch gut an diese letzte große Rechtschreibreform. Plötzlich wurden Thunfisch und Känguruh ohne h geschrieben: Tunfisch und Känguru. Das Känguru hat sich bis heute durch gesetzt; für den Tunfisch empfiehlt der Duden nun wieder die Schreibweise mit h – Thunfisch. Zum Glück brauchte ich diese Worte in meinem Arbeitsumfeld selten, doch gab und gibt es auch im „Versicherungsdeutsch“ die eine oder andere Klippe zu umschiffen. Noch heute schaue ich mindestens einmal am Tag in den Duden, um mich der richtigen – oder empfohlenen – Schreibweise eines Wortes zu versichern.
Je mehr „Schreiber“, desto wichtiger sind Regeln
Heute schreibt fast jeder: Posts in sozialen Netzwerken, Kommentare zu Artikeln oder Kochrezepten, Blog-Einträge … Viele schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sie legen wenig Wert auf Rechtschreibung, halten Grammatik und Satzzeichen für unwichtig.
Gesprochene Sprache kann in Wortschatz, Satzbau und Aussprache sehr uneinheitlich sein. Trotzdem verstehen wir meistens, was unser Gegenüber uns sagen möchte – Tonfall, Gestik und Mimik unterstützen uns dabei. Beim Lesen aber stören falsche Schreibweisen den Lesefluss. Rechtschreibregeln sollen daher die geschriebene Sprache möglichst einheitlich machen.
Ohne Punkt und Komma
Auch Zeichensetzung unterstützt den Lesefluss und damit die Verständlichkeit eines Textes. Ein Komma kann den Sinn eines Satzes komplett verändern – je nachdem, an welcher Stelle es steht. Dazu ein kleines Beispiel:
„Wir essen jetzt, Opa.“ heißt für Opa, dass das Essen fertig ist. Schreibt man dagegen
„Wir essen jetzt Opa.“ ergibt sich ein ganz anderer Sinn … Ein Komma rettet hier Opas Leben.
Lässt man Punkt und Komma weg und setzt überflüssige oder falsche Buchstaben, so fällt das den meisten Lesern direkt auf. Folgenden Satz z. B. nimmt das Gehirn als eine Aneinanderreihung von Wörtern wahr, die nur mit Mühe einen Sinn ergeben. „Das schwimbat ist gans schön foll das war ja klahr bei dem wetter.“
Anglizismen und andere Fremdwörter
In einer WhatsApp-Unterhaltung aktzeptiere ich noch – schmunzelnd oder zähneknirschend, je nach Absender und Thema –, dass die Groß- und Kleinschreibung geflissentlich ignoriert oder mit Abkürzungen und englischen Wörtern jongliert wird. Überträgt jemand diese Marotten in eine E-Mail oder einen Brief, reagiere ich schon gereizt. Und in einem geschäftlichen Brief – auch per E Mail – bringt mich die Ignoranz einiger Schreiber tatsächlich richtig auf die Palme.
Sicher lassen sich viele Sachverhalte mit Hilfe von Emojis oder Fremdwörtern besser ausdrücken. Englische Ausdrücke bereichern die Arbeitswelt in allen Branchen; gerade in den Bereichen Internet und Marketing entsteht dadurch fast eine eigenständige Sprache. Englisch trägt damit in vielen Bereichen zu einer besseren Kommunikation bei.
Ist es aber notwendig, Besprechungen neuerdings Meetings zu nennen? Oder von Voting zu sprechen, wenn es um eine Abstimmung geht?
Solange Anglizismen, Fremdwörter oder Fachbegriffe im richtigen Wortsinn und Zusammenhang verwendet und verstanden werden, spricht gewiss nichts gegen ihre Nutzung. Sobald ich jedoch etwas für Branchenfremde schreibe, achte ich darauf, wie ich schreibe – sei er oder sie jemand, der meine Internetseite liest, ein Außendienstmitarbeiter, der sich über eine Werbeaktion informiert, oder ein IGU-Mitglied, das sich im „Versicherungsdeutsch“ nicht auskennt.
Das sollte für jeden gelten, der schreibt. Egal ob es Briefe, Rechnungen, Werbeanzeigen, Prospekte oder Internetseiten sind: Der Empfänger muss den Inhalt lesen und verstehen können. Und er sollte sich positiv angesprochen fühlen.
Eine Frage der Wertschätzung
Korrekt geschriebene E-Mails und Briefe zeigen Wertschätzung gegenüber dem Empfänger. Das gilt auch für geschäftliche WhatsApp-Nachrichten oder SMS.
Schon bei der Anrede und der Schreibweise des Namens fängt es an: Wenn mir jemand schreibt „Sehr geehrter Herr Endt“, fühle ich mich nicht angesprochen – möglicherweise lese ich den Brief oder die E-Mail gar nicht erst. Auch die korrekte Schreibweise des Namens ist wichtig.
Wie reagieren Sie beispielsweise, wenn Sie eine Bewerbung erhalten, in der es von Tippfehlern wimmelt, Groß- und Kleinschreibung ignoriert wird und der Bewerber vielleicht schon eine falsche Anrede wählt? Sicher hat er keine besonders guten Chancen, den Job zu bekommen.
Tippfehler, Kommafehler und unbewusste falsche Schreibweisen passieren jedem, vor allem unter Zeitdruck. Dabei reicht es oft schon, Texte zeitverzögert noch einmal zu lesen oder eine andere Person um kritische Prüfung zu bitten.
Info: Ohne eine gewisse Einheitlichkeit drohten z. B. Wortspielereien und Ironie, Anagramme und Palindrome unterzugehen – und die geschriebene Sprache würde viel von ihrer Schönheit einbüßen.
■ Stephanie Endt