1/2018 Nachhaltige Unternehmensführung

2014 wurde von der EU eine Richtlinie zur Erweiterung der Berichterstattung von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen, Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen verabschiedet, die sogenannte CSR-Richtlinie. Ziel der Richtlinie ist es, die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU zu erhöhen. 2017 wurde diese Richtlinie in deutsches Recht übertragen. Sie verpflichtet die betroffenen Unternehmen, einmal jährlich eine sogenannte „nicht-finanzielle Erklärung“ zu veröffentlichen. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind von dieser Berichtspflicht zwar nicht direkt betroffen, sollten aber ihre Chancen nutzen, den Nachhaltigkeitspfad bewusst einzuschlagen, um Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Chancen einer Nachhaltigkeitsstrategie für KMU:
Im B2C-Bereich sprechen die Studien eine eindeutige Sprache. Das Interesse an Nachhaltigkeit steigt bei den deutschen Konsumenten von Jahr zu Jahr. Rund 79 Prozent der deutschen Bevölkerung setzen sich laut der 2016 erschienen Sustainability Image Score-Studie von Facit Research mit dem Thema Nachhaltigkeit grundsätzlich auseinander. Gut ein Drittel der Studienteilnehmer tut dies sogar intensiv – vier Prozent mehr als noch drei Jahre zuvor.
In einer 2017 von digital research veröffentlichten Studie formulierten 81 Prozent der Teilnehmer sogar eine klare Erwartungshaltung in Richtung der Unternehmen, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen. Durch die steigende Transparenz im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichtspflicht wird sich diese Erwartungshaltung in Zukunft vermutlich noch verstärken.
Obwohl KMU nicht der neuen Berichtspflicht unterliegen, werden die Auswirkungen mittelbarauch für sie spürbar werden. Denn die Richtlinie verlangt von den betroffenen Unternehmen Transparenz über die Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette und damit auch über die Nachhaltigkeitsbemühungen zuliefernder Unternehmen. Ein transparentes Nachhaltigkeitsmanagement kann sich daher auch im B2B-Bereich für kleine und mittlere Zulieferbetriebe zu einem echten Wettbewerbsvorteil entwickeln.
Auch im zunehmenden Wettbewerb um junge Fachkräfte zahlt sich eine nachhaltige Unternehmensführung und Personalpolitik aus. Gerade Berufsstarter wollen sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren können. Dass Unternehmen, die dieses Bedürfnis bedienen, zufriedenere Mitarbeiter haben und leichter Talente anwerben können, zeigt eine Studie des Instituts für berufliche Bildung und Arbeitslehre der TU Berlin.
Insgesamt lässt sich festhalten: Eine nachhaltige Unternehmensausrichtung zahlt positiv auf das Image und die Reputation eines Unternehmens, seine Wettbewerbsfähigkeit sowie seine Kunden- und Mitarbeiterbindung ein.
Stärken von KMU bei der Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie:
Gerade KMU sollten darüber nachdenken, eine klare Nachhaltigkeitsstrategie für das eigene Geschäftsmodell zu entwickeln und diese kommunikativ zu nutzen.
Denn KMU haben eine natürliche strukturelle Nähe zu nachhaltiger Unternehmensführung und sind in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht häufig bereits gut aufgestellt.
Insbesondere Familienunternehmen haben meist einen langfristigeren Blick auf ihre ökonomische Entwicklung als manch managementgeführtes Großunternehmen. Denn sie haben bei der Ressourcenplanung die Perspektive der nachfolgenden Generation im Fokus – und eben nicht kurzfristige Gewinnziele zur Befriedigung von Aktionärsinteressen.
Schon aus eigenem Interesse leisten KMU häufig durch soziales Engagement, Förderung von Sport, Kultur und Bildung einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl und zur Stärkung der Region, denn sie sind dort fest verwurzelt und auf die Infrastruktur sowie das Funktionieren der gesellschaftlichen Strukturen vor Ort angewiesen.
Vorteile ergeben sich zudem aus den oft schlanken Strukturen. Eine überschaubare Größe und Komplexität sowie eine enge Beziehung zwischen Geschäftsführung und Eigentümer – häufig sogar in Personalunion – ermöglichen es, flexibel zu handeln und Maßnahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie schnell umzusetzen.
Die wichtigsten Fragen auf dem Weg zu einer Nachhaltigkeitsstrategie
Wer die Vorteile einer nachhaltigen Ausrichtung bewusst für sein Unternehmen nutzen möchte, sollte sich zuvor einige Fragen beantworten:
1.) Wofür soll das Unternehmen stehen? Eine Mission und ein konkretes Ziel sind die Basis einer erfolgreichen Nachhaltigkeitsstrategie.
2.) Was sind die Stärken und Schwächen des Unternehmens? Nachhaltigkeitsmaßnahmen sollten zum Unternehmen passen und eine natürliche Verbindung zum Geschäftsmodell haben.
3.) Was erwarten die Kunden vom Unternehmen? Die Vorstellungen von Kunden und anderen Stakeholdern sollten unbedingt berücksichtigt werden.
4.) Wie kann ich mein Ziel messen und welche Zwischenziele erscheinen greifbar? Zwischenziele helfen die eigene Motivation und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrecht zu erhalten. Diese Ziele und Zwischenziele sollten regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden.
Entscheidend für das Heben von Wettbewerbsvorteilen ist aber am Ende, Erfolge auch zu kommunizieren. Denn das Motto muss lauten: Tue Gutes und rede darüber.
Wichtige Meilensteine der Nachhaltigkeitsdiskussion und CSR-Berichtspflicht:
1713
Hans Carl von Carlowitz formuliert angesichts einer drohenden Holzknappheit erstmals, dass immer nur so viele Bäume geschlagen werden sollten, wie durch Aufforstung nachwachsen konnten und forderte eine „nachhaltende“ Nutzung des Waldes.
1972
Der erste Bericht des Club of Rome unter dem Titel „Grenzen des Wachstums“ zeigt die Endlichkeit natürlicher Ressourcen auf.
1980
Die „World Commission of Environment and Development“ (WCED) wird gegründet und setzt die Brundtland-Kommission ein.
1987
Der sog. Brundtland-Bericht unter dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“ wird veröffentlicht und definiert Nachhaltigkeit neu als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“.
1992
Die Weltkonferenz in Rio de Janeiro leitet den „Rio-Prozess“ ein. Die Agenda 21 und verschiedene Konventionen zu Umwelt- und Entwicklungsfragen werden beschlossen.
1997
Die UN-Klimakonferenz verabschiedet das Kyoto-Protokoll.
2002
Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg verabschiedet neue Ziele und die Bundesrepublik Deutschland legt ihre erste Nachhaltigkeitsstrategie vor.
2014
Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten der EU verabschieden die sog. CSR-Richtlinie zur Erweiterung der Berichterstattung von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen.
2017
Deutschland setzt die Richtlinie in nationales Recht um (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz).
■ Ruth Snethkamp

IGU e. V.