1/2018 Entlastungsangebot für pflegende Angehörige: Sinnvoll, aber wenig bekannt

Pflegende Angehörige sind extrem belastet. Noch relativ unbekannt ist, dass bereits zum 1. Januar 2015 ein Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft getreten ist, mit dem die bestehenden Regelungen im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz weiter entwickelt und besser miteinander verzahnt wurden. Im Ergebnis eröffnen sich dadurch notwendige Freiräume, die Pflegende dringend benötigen: Zum Beispiel die teilweise Freistellung für die häusliche Pflege naher Angehöriger. Damit wird Arbeitnehmern ermöglicht, über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren Pflege und Beruf besser miteinander zu vereinbaren.
Seit dem 1. Januar 2015 haben Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. Dadurch können sie eine (teilweise) Freistellung für die häusliche Pflege von nahen Angehörigen von bis zu 24 Monaten bei einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden beanspruchen. Haben sie zunächst eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit für einen kürzeren Zeitraum beantragt, lässt sich der Zeitraum der Freistellung mit Zustimmung des Arbeitgebers bis zur Höchstdauer von 24 Monaten verlängern. Wenn ein vorgesehener Wechsel/Austausch der Pflegeperson aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann, haben Beschäftigte gegenüber ihrem Arbeitgeber sogar einen Anspruch auf die Verlängerung der Familienpflegezeit.
Auch um minderjährige pflegebedürftige nahe Angehörige im eigenen Zuhause oder im außerhäuslichem Umfeld betreuen zu können bietet das Familienpflegezeitgesetz den Beschäftigten die Möglichkeit der Freistellung: Entweder die teilweise Freistellung bis zu 24 Monaten bei einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden oder (nach dem Pflegezeitgesetz) eine vollständige oder teilweise Freistellung bis zu sechs Monaten. Dies gilt übrigens auch für die Begleitung von nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase.
Generell gilt: Auch bei Kombination der verschiedenen Freistellungsansprüche aus beiden Gesetzen beträgt die Dauer der Arbeitszeitreduzierung maximal 24 Monate.
Ausnahmeregelung zum Schutz kleinerer Unternehmen
Kleinere Unternehmen können den durch die Arbeitszeitreduzierung bedingten Teil-Ausfall von Beschäftigten oft nur schlecht kompensieren. Deshalb gilt der Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung nach dem Familienpflegezeitgesetz nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten (Auszubildende zählen hier nicht mit).
Kompensation des Lohnausfalls durch zinsloses Darlehen
Zum Ausgleich des Lohnausfalls bei Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz können Beschäftigte ein zinsloses staatliches Darlehen erhalten. Über Einzelheiten informiert das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Dort ist es auch zu beantragen.
Ausweitung des Personenkreises „nahe Angehörige“
Mit Inkrafttreten des Gesetzes wurde auch der unter den Begriff „nahe Angehörige“ gefasste Personenkreis erweitert. Partner in einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft sowie Stiefeltern und Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner gehören seither dazu.
„Frei“-Zeit für Angehörige, die eine akut aufgetretene Pflegesituation organisieren
Angehörige können sich bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit freistellen lassen und dafür einen Lohnersatz, das Pflegeunterstützungsgeld, beanspruchen.
Pflegeberatung der Pflegekassen unbedingt nutzen!
In jedem Fall ist es ratsam, sich von Pflegeberatern der Pflegekasse individuell beraten zu lassen. Diese Pflegeberatung kann auch vor Ort in der häuslichen Umgebung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen erfolgen. Dabei wird das gesamte Spektrum möglicher Leistungen und anderer Hilfen (wie z. B. Tages-, Kurzzeit oder Verhinderungspflege) angesprochen.
Wichtig: Private zusätzliche Vorsorge bleibt notwendig
Die verbesserte Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist ein wichtiger Schritt. Allerdings ändert er nichts daran, dass Pflege teuer und ihre Finanzierung nicht gesichert ist. Auch das Gesundheitsministerium empfiehlt deshalb eine private Zusatzversicherung zur Vorsorge im Pflegefall. Die private Vorsorge sorgt Tag für Tag zumindest für eine finanzielle Entlastung. Denn die staatliche Pflegepflichtversicherung deckt nur etwa die Hälfte der Kosten.
Verantwortungsbewusste Menschen, die ihr Pflegekostenrisiko und das ihrer Angehörigen spürbar reduzieren möchten, sollten frühzeitig handeln. Denn je früher die Entscheidung für einen Pflege-Tagegeldtarif fällt, umso günstiger sind dafür die monatlichen Beiträge. Das rechnet sich sogar dauerhaft.
■ Norbert Schulenkorf

IGU e. V.