Der Begriff „Industrie 4.0“ erfreut sich seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit in der Fachpresse und in Diskussionsrunden. Auch diverse Wirtschaftsunternehmen haben bereits Forschungsprojekte in diesem Bereich ins Leben gerufen. Dabei wird die Deutung des Begriffs ständig weiter gefasst und interpretiert, sodass heute eine Vielzahl von Entwicklungen unter dem Dach „Industrie 4.0“ zusammengefasst werden. Zunächst ist also die Frage zu klären, was mit „Industrie 4.0“ ursprünglich gemeint ist und woher dieser Begriff eigentlich kommt.
Ursprung und Bedeutung
Nach der Mechanisierung mit Dampfkraft im 18. Jahrhundert, der später folgenden Massenproduktion mit Hilfe von Fließbandtechnik und schließlich dem Einsatz von Elektronik und IT in Produktionsprozessen soll „Industrie 4.0“ nun die vierte industrielle Revolution bringen. Ursprünglich entstanden aus einem Zukunftsprojekt der Bundesregierung und der deutschen Industrie, soll mit dem Begriff „Industrie 4.0“ die weitreichende Bedeutung der Informatisierung in Fertigungstechnik und Logistik unterstrichen werden. Um dabei die Komponente der Digitalisierung hervorzuheben, lehnt sich der Begriff an den Terminus „Web 2.0“ an, der im Bereich der Internettechnologie die Entwicklung der Nutzer von Konsumenten hin zu Produzenten und aktiven Akteuren im Web bezeichnet. In ähnlicher Weise ist „Industrie 4.0“ zu verstehen: Die Entwicklung geht weg von autokratischen Fertigungsprozessen, die als eine Vielzahl von Insellösungen wenig bis gar nicht miteinander kommunizieren, hin zu einer vernetzten Fertigungskette, in dem idealerweise alle Fertigungsstufen die Möglichkeit haben, Informationen auszutauschen und dies auch aktiv tun. Es geht darum, Prozesse in Produktion und Logistik zu optimieren und gleichzeitig innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Grundlagen und Komponenten
Eine wichtige Voraussetzung für „Industrie 4.0“ ist die zunehmende Ausbreitung des so genannten „Internet der Dinge“, einer weiteren Evolutionsstufe der Internettechnologie. Hiermit wird die immer weitreichendere Ausstattung von Produkten mit Sensoren und Aktoren bezeichnet, die beispielsweise Kühlschränke in die Lage versetzt, zur Neige gehende Lebensmittel zu erkennen oder ihre Kühlleistung an die Lebensgewohnheiten ihrer Besitzer anzupassen. Die Geräte können damit nicht nur Zustände und Veränderungen in ihrer Umwelt erkennen und verarbeiten, sondern sie in einem vernetzten Haushalt auch an andere Systeme weitergeben. So sind – um beim vorherigen Beispiel zu bleiben – Kühlschränke bereits heute in der Lage, fehlende oder bald ausgehende Lebensmittel selbstständig online nachzubestellen. Lichtsensoren lassen die Rolladen hochfahren, sobald die Sonne aufgeht und intelligente Heizungen wärmen die Wohnung vor, sobald sich das Smartphone des Bewohners dem zu Haus nähert. Diese und viele weitere Beispiele aus dem privaten Leben werden unter dem Oberbegriff „Smart Home“ zusammengefasst. Dieses
Zusammenspiel ist nur möglich, weil die unterschiedlichen Komponenten die für sie relevanten Umstände über Sensoren erfassen und entsprechend weiterkommunizieren können. Auf Grundlage der vorliegenden Informationen können die Geräte dann selbstständig Entscheidungen treffen und Aktivitäten ausführen. Dies funktioniert natürlich nicht nur im privaten Bereich: Das Gegenstück in der Industrie wird als „Smart Factory“ bezeichnet.
Die intelligente Fabrik
Das Vorgehen ist hier ähnlich wie im „Smart Home“: Im Vergleich zu früher sind Maschinen nicht mehr auf sich allein gestellt, sondern können mit anderen Fertigungsstellen kommunizieren und sich abstimmen. Fehlt ein Teil an der einen Stelle oder geht es beim Einbau kaputt, kann automatisiert ein neues angefordert werden. Die anderen Fertigungsstufen bekommen eine Information über die Verzögerung und können ihre Prozesse ebenfalls anpassen. Das Ziel ist eine sich selbst steuernde Produktion, die durch Echtzeit-Informationen und synchronisierte Zusammenarbeit eine enorme Effizienz erreichen kann.
Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Denn die Voraussetzungen für Sensorik und Maschinenkommunikation sind noch nicht verbreitet vorhanden, sondern müssen geschaffen werden. Zudem gehört zu den optimierten Produktions- und Logistikprozessen der „Industrie 4.0“ nicht nur die Fertigung und Auslieferung, sondern auch die bedarfsgerechte Produktionsplanung und -steuerung. Ein Großteil der Aufträge könnte somit künftig maschinell erteilt werden und anstatt einer ausladenden Lagerhaltung könnten Teile – auch in kleinen Losgrößen – produziert werden, wenn der Bedarf gemeldet wird.
Ein Auto könnte so beispielsweise eine kaputte Zündspule mitsamt der Adressdaten der zuständigen Werkstatt online an den Hersteller melden. Entsprechend der Rückmeldung zur Lieferzeit könnte darauf die sofortige Buchung eines Werkstatttermins durchgeführt werden – alles ohne manuelles Eingreifen des Fahrers.
Per Definition betrifft „Industrie 4.0“ zunächst lediglich das produzierende Gewerbe und die Logistik. Eine fortschreitende Digitalisierung ist aber auch in anderen Bereichen der Wirtschaft bereits heute zu beobachten und wird sich noch verstärken. Auch wenn nicht überall von einer Revolution die Rede ist, so scheint doch zumindest die Evolution in Richtung vernetzter Welt für die Zukunft deutlich vorgezeichnet.
■ Dennis Cosfeld-Wegener