4/2015 Anordnung von Überstunden – darf ich das?

Die Gründe für allgemeine Personalengpässe sind vielschichtig: Krankheitswellen, ein plötzlicher Großauftrag, permanent steigender Zeitdruck, unerwartete Ereignisse. Die Liste ließe sich beliebig verlängern und mit zahlreichen Beispielen garnieren.
Wie bleibe ich dabei personell handlungsfähig? Klar, die vorhandenen Ressourcen müssen genutzt werden: Also Überstunden für die verfügbaren Mitarbeitenden! Doch geht dies so einfach? Was machen Sie, wenn sich Kolleginnen und Kollegen weigern? Dürfen sie das?
Im Allgemeinen ist nämlich kein Arbeitnehmer verpflichtet Überstunden zu leisten. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers (Direktionsrecht) berechtigt nicht dazu, vom Arbeitnehmer Überstunden zu verlangen. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn betriebliche Notfälle vorliegen, wie bspw. ein Brand- oder Sturmschaden.
Wie kommt es dann aber, dass landauf landab Überstunden gemacht werden? Zum einen erdulden viele Arbeitnehmer Überstunden, ohne die Existenz einer rechtlichen Grundlage. Um Streitfälle zu vermeiden sind Unternehmen und Betriebe daher gut beraten, rechtliche klare Vereinbarungen im Vorhinein zu treffen. Denn für die Anordnung von Überstunden gibt es Möglichkeiten. Zum einen können sie mit den Angestellten Überstunden einvernehmlich vereinbaren. Dies kann mündlich geschehen. Im Streitfall treten oft jedoch Probleme hinsichtlich der Beweisbarkeit des Sachverhalts auf.
Empfehlenswert ist eine schriftliche Klausel im Rahmen des Arbeitsvertrags. Sie bietet die Möglichkeit, von Anfang an Klarheit darüber zu schaffen, wann und unter welchen Voraussetzungen Überstunden angeordnet werden können. Auch eine mögliche Sonn- und Feiertagsarbeit kann damit geregelt werden. Für die Wirksamkeit einer derartigen Klausel sind jedoch einige Punkte zu beachten:
◗◗ Zum einen muss die Anzahl der im Höchstfall zu leistenden Überstunden zeitraumbezogen festgelegt werden und es muss eindeutig definiert werden, wie viele Überstunden durch das monatliche Grundgehalt abgegolten sein sollen. Nach laufender Rechtsprechung sind allgemeine Klauseln, wonach mit dem Monatsgehalt alle Überstunden abgegolten werden, in der Regel unwirksam. Gerade eine fehlerhafte Vergütungsregel kann für den Arbeitgeber sehr teuer werden.
◗◗ In Firmen mit einem Betriebsrat ist zwingend zu beachten, dass dieser beim Thema Überstunden ein Mitbestimmungsrecht hat. Hier kann im Rahmen einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen Überstunden angeordnet werden können und wie diese vergütet werden sollen.
◗◗ Neben der Auszahlung von Überstunden kann grundsätzlich auch vereinbart werden, Teile in Freizeit auszugleichen. Oft werden Überstundenzuschläge bis zu 25 Prozent oder Lohnzuschläge für Überstunden an Sonn-und Feiertagen oder Nachtschichten gezahlt.
◗◗ Die Zulässigkeit von Überstunden, die Verfahrensweise und Vergütung kann jedoch auch in Tarifverträgen geregelt sein.
Von Überstunden unabhängig ist die sogenannte Lage der Arbeitszeiten, also die Verteilung auf die Wochentage. Der Arbeitsbeginn kann im Bedarfsfall auch von bisher 8.00 Uhr – 16.00 Uhr auf 9.00 Uhr – 17.00 Uhr verschoben werden. Hier greift das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO. Die Anordnung von Samstagsarbeit muss daher nicht zwingend etwas mit Überstunden zu tun haben.
Und was ist, wenn Unternehmen Gleitzeit anbieten, d.h. alle Angestellten die Lage der Arbeitszeiten innerhalb eines zeitlichen Rahmens von zum Beispiel 7.00 Uhr – 20.00 Uhr frei bestimmen können?
Überstunden liegen grundsätzlich nur dann vor, wenn der Arbeitgeber sie ausdrücklich angeordnet hat oder sie zumindest stillschweigend geduldet hat. Im Rahmen von Gleitzeit liegen Überstunden nur dann vor, wenn am Ende der Gleitzeitperiode ein Guthaben an Arbeitsstunden besteht, das nicht in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden kann.
Dabei gibt es keinerlei Obergrenzen für die Dauer von Gleitzeitperioden. Diese können jedoch auch in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden.

Immer zu beachten ist das Arbeitszeitgesetz:

Danach darf die werktägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers 8 Stunden nicht überschreiten. Dies ergibt eine höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Eine Verlängerung auf täglich 10 Stunden (Mehrarbeit) ist zulässig, wenn innerhalb von 6 Monaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden pro Werktag nicht überschritten werden.
Das Thema Überstunden ist erkennbar äußerst komplex. Damit Überstunden kein Konfliktthema werden, sollten Unternehmen sich frühzeitig rechtlichen Rat einholen.
■ Tobias Pörsel
   Personalreferent
   Rechtsanwalt

IGU e. V.