Wie steht es um die Rentenversicherung und ihre Garantieversprechen bestellt? Welche politischen Entwicklungen zeichnen sich hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung ab? Und worauf sollten Arbeitgeber hier bei ihren Zusagen achten? Dr. Rainer Wilmink, Vorstandsmitglied der LVM Versicherung, bezieht gegenüber der IGU-„Inhalte“ Position.
Herr Dr. Wilmink, welche Zukunft haben die private und die betriebliche Rentenversicherung?
Auf jeden Fall sind die Aussichten gut. Allein schon wegen eines Alleinstellungsmerkmals, das es zu bewahren gilt: Die „klassische“ private und betriebliche Rentenversicherung lassen den Sparer im Alter verlässlich mit einem Mindestbetrag planen – und das bis zum Lebensende. Schließlich gibt es hier einen gemeinsamen Deckungsstock, der Schwankungen am Kapitalmarkt effizient abfedert. Insofern versprechen sie die notwendige Sicherheit in der Altersvorsorge. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich am Markt wie auch bei uns mittelfristig die Produktgestaltung ändern wird.
Inwiefern das?
Zum einen weg von lebenslangen Garantien, zum anderen hin zur Anreicherung mit kapitalmarktnahen Elementen.
Sind die bereits gegebenen lebenslangen Garantien denn überhaupt noch sicher?
Bei der LVM Versicherung auf jeden Fall! Als wichtiges Instrument dient uns hier die Zinszusatzreserve: Wir haben ihr allein im Jahr 2014 weitere 146 Millionen Euro zugeführt. Auf diese Weise sichern wir in der aktuellen Niedrigzinsphase die unseren Kunden zugesagten Leistungen nachhaltig ab.
Erwarten Sie im Markt ein weiteres Absinken des Garantieniveaus?
Davon ist mittelfristig auszugehen – vorrangig wegen der Niedrigzinsphase und Solvency II.
Und als wären Solvency II und das Lebensversicherungsreformgesetz nicht Herausforderung genug, steht jetzt auch noch eine Nahles-Rente zur Diskussion … Ihre Meinung?
Wenn es darum geht, möglichst viele Unternehmen dazu zu bewegen, eine betriebliche Altersversorgung einzurichten, halte ich eine solche tarifgebundene Vorsorgelösung für nicht zielführend – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
Weshalb?
Es bedarf keiner neuen Einrichtungen durch die Tarifparteien, um die betriebliche Altersversorgung weiter zu verbreitern. Und eine aufgezwungene Übernahme von tariflichen Regelungen ist für Arbeitgeber auch nicht besonders motivierend – insbesondere nicht für kleine und mittlere Unternehmen, die zum Großteil nicht tarifgebunden sind. Zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung braucht es vielmehr haftungs- und verwaltungsarme Lösungswege – die es heute aber auch schon gibt. Ich empfehle hier eine Durchführung per Direktversicherung, Unterstützungskasse oder Pensionsfonds. In diesem Zusammenhang bietet sich außerdem die Einführung einer Opting-Out-Lösung zur Entgeltumwandlung an.
Die sich wie gestalten sollte?
Bei einer solchen Regelung muss sich jeder Mitarbeiter aktiv gegen eine betriebliche Altersversorgung – bei entsprechend geringerem Gehalt – entscheiden. So würde die Orientierung hin zum Altersvorsorgesparen gestärkt.
Halten Sie denn grundsätzlich eine Reform der betrieblichen Altersversorgung durch den Gesetzgeber für sinnvoll?
Ja – sofern sie nicht zu einem neuen, sechsten Durchführungsweg führt. Stattdessen muss es darum gehen, die betriebliche Altersversorgung zu entbürokratisieren und vereinfachte steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Sehen Sie neben diesen aktuell noch weitere Herausforderungen in der betrieblichen Altersversorgung?
Bei innenfinanzierten Direktzusagen. Denn die Niedrigzinsphase führt zu einem erheblichen Nachreservierungsbedarf der firmeneigenen Altersversorgung. Hier gilt es gegebenenfalls schnell zu handeln: Die Pensionsverpflichtungen sollten auf Pensionsfonds ausgelagert werden, um die Finanzierung der bestehenden Verpflichtungen über einen längeren Zeitraum zu strecken.
Und was empfehlen Sie für neue Zusagen?
Die sollten grundsätzlich beitragsorientiert sein und ausschließlich über externe Einrichtungen wie Direktversicherung, Unterstützungskasse oder Pensionsfonds durchgeführt werden. Dann beschränkt sich der Aufwand des Arbeitgebers auf den zu zahlenden Beitrag, und die Leistungshöhe richtet sich nach der tatsächlichen Leistung aus dem Versorgungsvertrag. Nur so können Firmen den Finanzierungsbedarf in der Zukunft verlässlich planen.
Welchen Stellenwert messen Sie der betrieblichen Altersversorgung in der Zukunft bei?
Der Bedarf wird weiter ansteigen, weil die gesetzlichen Alterssicherungssysteme in Deutschland aufgrund der demografischen Entwicklung zurückgehen. Schon heute sind weite Teile besonders der jüngeren Bevölkerung in puncto Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung unterversorgt. Hier ist die betriebliche Altersversorgung in der Regel die beste Art der Vorsorge, weil sie vom Staat besonders steuerlich gefördert wird. Und weil die Beiträge in gewissen Grenzen von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung befreit sind.
■ Katharina Fiegl