2/2015 Berufsfelderkundung – Eine „Win-Win“ – Maßnahme für Schüler und Unternehmen

KAoA ist kein japanisches Gericht, sondern die Abkürzung für „Kein Abschluss ohne Anschluss“ – ein NRW-weites Projekt, mit dem Schülerinnen und Schüler frühzeitig die Möglichkeit erhalten, in die Berufswelt zu schnuppen. Dadurch wird der Übergang von der Schule in den Beruf verbessert und die Wahrscheinlichkeit, die falsche Ausbildung zu wählen, sinkt. Ziel ist, dass sich für junge Menschen nach der Schule möglichst schnell eine Anschlussperspektive für eine Berufsausbildung oder ein Studium eröffnet.
Mit dem Projekt hat die Landesregierung eine Forderung aus der Wirtschaft aufgegriffen: Schulen und Unternehmen müssen Schülerinnen und Schüler schon während der Schulzeit dabei unterstützen, eine fundierte Berufsorientierung auszubilden und den Kontakt zur Arbeitswelt herstellen zu können. Denn eins ist so gut wie sicher: Das Potenzial an Fachkräften wird auch im Münsterland immer kleiner.
Herausstechend an dem Projekt „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist, dass verschiedene Maßnahmen passgenau ineinander greifen und in bestehende Maßnahmen integriert werden. So entsteht ein ganzheitlicher Ansatz zur Berufsorientierung. Derzeit startet die Berufsorientierung mit dem Betriebspraktikum in der 9. Jahrgangsstufe. In dem in der Regel 14-tägigen Praktikum lernen die Schülerinnen und Schüler Berufswelt und Unternehmen kennen. Aber was ist, wenn die Wahl für den Praktikumswunsch leichtfertig erfolgte?
An diesem Punkt setzt das Projekt an: In der 8. Klasse werden mit den Jugendlichen in Potenzialanalysen persönliche Stärken und Interessen herausgearbeitet. Mit diesen Erkenntnissen wählt der Schüler drei Berufsfelder aus, die er erkunden möchte. Eine wichtige Voraussetzung für eine wirklich vielschichtige Erkundung unterschiedlichster Berufs- und Tätigkeitsfelder ist natürlich die Teilnahme zahlreicher Betriebe und Unternehmen. Nur wenn die Schülerinnen und Schüler wirklich die Wahl zwischen vielen Berufsfeldern haben, haben sie auch die Chance, den besten Berufswunsch zu identifizieren. Die Auswahl der Berufsfelder erfolgt unkompliziert über eine Online-Plattform, in der Betriebe und Unternehmen ihre Berufsfelderkundungs-Plätze anbieten. So können besonders klein- und mittelständische Unternehmen schnell auf sich und die Berufs- und Tätigkeitsfelder aufmerksam machen.
Zwar ist dieser erste Blick in den jeweiligen Beruf ein kurzer. Aber mit diesem gewonnenen Eindruck kann das Praktikum in der 9. Klasse zielgerichteter ausgewählt werden. Und es passt zu den Kompetenzen und Interessen der Schüler. Dabei werden sie von den Lehrern unterstützt, die vor der Berufserkundung den Wunsch der Schüler freigeben. Diese achten nicht nur auf die Passung von Berufsfeld des Betriebs oder Unternehmens und dem Stärkenprofil des Schülers, sondern haben auch rein praktische Aspekte im Blick wie beispielsweise den Anfahrtsweg des Schülers zum Betrieb.
Die Vorteile für Unternehmen liegen auf der Hand. Während das Betriebspraktikum schon die Wahrscheinlichkeit der falschen Ausbildungswahl reduziert, reduzieren die drei Berufserkundungs-Tage die Wahrscheinlichkeit, das Praktikum im falschen Berufsfeld zu absolvieren. Und so starten wirklich interessierte Schüler ins Betriebspraktikum, die sich im optimalen Fall sogar für eine Ausbildung bewerben. Sollte ein Schüler die falsche Wahl getroffen haben, investieren er und das Unternehmen nicht direkt zwei Wochen wie beim Betriebspraktikum oder es kommt gar zum Abbruch der Ausbildung, sondern lediglich einen Tag. Außerdem bekommen die Betriebe und Unternehmen unkomplizierten Kontakt zu vielen Jugendlichen und können für den eigenen Betrieb oder das eigene Unternehmen werben, Ausbildungswege vorstellen und sie vor allem für die eigenen Berufe und Tätigkeitsfelder begeistern.
Wichtig bei dem ersten Blick in die Berufs- und Arbeitswelt ist die praktische Erfahrung. Die interessierten aber in vielen Fällen noch komplett unerfahrenen Jugendlichen sollten bestmöglich in den Betriebsalltag integriert werden und die Möglichkeit zum praktischen Ausprobieren und Erleben haben. So gewinnen sie einen vertieften Eindruck und lernen das Arbeitsleben nicht nur theoretisch oder im Überblick kennen. Laut IHK hat es sich bewährt, in die Begleitung der Schüler die eigenen Auszubildenden einzubinden. Diese sind näher an den Schülern, sprechen die gleiche Sprache und können ihre Fragen authentisch beantworten.
Derzeit sammeln die einzelnen Kreise in NRW erste Erfahrungen mit dem neuen System. Ab 2018 wird die Potenzialeinschätzung mit anschließenden Berufserkundungstagen dann verbindlich umgesetzt.
Weitere Informationen gibt es bei der IHK Nordwestfalen unter dem Stichwort „Berufsfelderkundung“.
■ Dr. Thorsten van Beeck-Stumpp

IGU e. V.