Kundenportale finden sich im Internet heute buchstäblich an jeder Ecke. Der Verbreitungsgrad hängt allerdings stark von der Branche ab. So haben Unternehmen, deren Geschäftsmodell ohnehin eng mit dem Internet verbunden ist, in diesem Bereich häufig einen Erfahrungs- und Technologievorsprung vor weniger internetaffinen Konkurrenten.
Aber der Markt holt auf. Inzwischen finden sich Kundenportale nicht nur bei Onlinehändlern und Finanz- und Telekommunikationsdienstleistern, sondern auch bei Post- und Paketdiensten, Kundenkartenanbietern, Restaurantketten, Supermärkten oder Diskotheken. Die Mehrheit der Kunden freut das, manche sind allerdings von der Masse überfordert.
Informationsdurst
Der Kern der Kundenportale liegt im Wunsch nach umfassenden Informationen, sowohl auf der Seite des Kunden als auch auf der Seite der Unternehmen. Insofern ist die Idee von „Kundenclubs“ nicht mehr ganz neu, wurden doch früher Coupons und Gutscheinhefte regelmäßig per Post verschickt. Aber erst durch die ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit des Internets konnte die Interaktionsrate zwischen Kunde und Unternehmen deutlich gesteigert und ganz neue Formen von Kundenbeziehungsmanagement möglich gemacht werden. In Online-Kundenportalen hat der Kunde an 24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im Jahr die Möglichkeit mit dem anbietenden Unternehmen in Kontakt zu treten und das Portal zu besuchen. Informationen sind verfügbar, wann immer der Kunde es wünscht – sei es das voraussichtliche Zustellungsdatum für eine Paketsendung, die aktuellen Angebote im Schnellrestaurant oder der jährliche Versicherungsbeitrag für die Haftpflichtversicherung. Genau dort liegt aber auch der Unterschied zu früheren Offline-Portalen oder „Kundenclubs“: Der Kunde entscheidet nun größtenteils selbst, ob und wann er die Information erhalten möchte. Es liegt im Geschick der Anbieter, eine hohe Interaktionsrate der Kunden mit dem Kundenportal zu erzielen. Wie in vielen anderen Onlinemedien auch, sind hier relevante und interessante Inhalte von entscheidender Bedeutung.
Ein effektives Marketinginstrument
Die Frage nach Aufwand und Nutzen stellt sich ganz unwillkürlich. Natürlich ist die Initiierung, der Betrieb, die Wartung und die ständige Betreuung und Versorgung eines Kundenportals mit Informationen mit nicht zu unterschätzenden Aufwänden verbunden. Die entsprechenden Strukturen in der IT müssen geschaffen und die ständige Verfügbarkeit der Daten gewährleistet werden. Kontinuierliche Weiterentwicklungen sind vorzunehmen, um mit aktuellen Entwicklungen Schritt halten zu können. Andere Unternehmensbereiche müssen bei Änderungen oder Neuerungen stets auch das Kundenportal berücksichtigen.
Auf der anderen Seite erhält das Unternehmen für diese Investitionen ein starkes Instrument zur Kundenbindung und Kommunikation. Anders als ein E-Mail-Postfach gewährleistet das Kundenportal eine reine 1-zu-1-Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen. Botschaften, Fragen, aber auch Angebote können so wesentlich gezielter und in sicherer Umgebung übermittelt werden. Zudem wird dem Kunden der Zugang zu seinen Daten und Informationen vereinfacht. Er muss nicht mehr für jedes kleine Anliegen zum Telefonhörer greifen. Auf der Unternehmensseite wird dadurch der Kundenservice entlastet, gleichzeitig werden automatisch Cross-Selling- Ansätze generiert. Das Unternehmen erfährt mehr über seine Kunden, bspw. veränderte Lebenssituation durch Umzug oder eine bestimmtes Set von Produkten oder Dienstleistungen, das häufig in Anspruch genommen wird.
Dennoch kann die Absatzförderung nur ein Teilziel eines Kundenportals sein. Kundenbindung und -Kommunikation stehen häufig im Vordergrund. So konnte in einigen Studien im Bereich der Kundenportalnutzer bereits eine deutlich geringere Abwanderungsrate nachgewiesen werden als im übrigen Kundenbestand. Darüber hinaus bieten Kundenportale Wettbewerbsvorteile, da bisher längst nicht alle Anbieter darüber verfügen.
Nutzenentscheidung individuell
Ob der Betrieb eines Kundenportals für ein Unternehmen sinnvoll ist oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung. Branchen mit einer hohen Wiederkäuferrate sind hier sicher eher prädestiniert als solche, in denen hauptsächlich Einzelkäufe getätigt werden. Auch wird es aufgrund der zunehmenden Anzahl von Kundenportalen immer schwieriger sich von der Masse abzuheben. Der Kunde ist nicht selten überfrachtet von der Vielzahl der Angebote und bekommt unter Umständen gar nicht mit, dass sein spezifischer Anbieter auch ein Kundenportal anbietet. Daher ist neben einem guten Portal auch eine gute Kommunikation ein wichtiger Erfolgsfaktor. Erfahrungen zeigen, dass ein Kundenportal von Nutzern, die das anbietende Unternehmen für sich als relevant ansehen, in der Regel sehr positiv aufgenommen und genutzt wird, sofern sie nur davon erfahren.
Beispiel „Meine LVM“
Als Beispiel aus dem Versicherungsbereich soll hier das Kundenportal „Meine LVM“ (www.meinelvm.de) der LVM Versicherung Erwähnung finden: Es bietet Kunden die Möglichkeit, online ihre Verträge und Konten einzusehen, Unterlagen im digitalen Versicherungsordner abzulegen, persönliche Daten zu ändern oder mit ihrer Agentur in Kontakt zu treten.
■ Dennis Cosfeld-Wegener