Unser Land profitiert in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Im Jahr 2013 erreichten die Exporte eine Höhe von 1,094 Billionen Euro und die Exportquote lag bei 40 Prozent – wir exportieren also fast jeden zweiten produzierten Euro. Das zeigt, dass sich der Export zu einem wichtigen Standbein unserer Wirtschaft entwickelt hat und für unseren Wohlstand maßgebend ist. Globalisierungsgegner laufen Sturm und wollen das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den USA stoppen. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen und was verbirgt sich hinter dem Abkommen?
Die Verhandlungen über TTIP, die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, werden seit Juli 2013 von der EU Kommission geführt. Sie ist durch ihr Verhandlungsmandat an die Vorgaben der EU-Mitgliedstaaten gebunden. Bislang haben sechs Verhandlungsrunden stattgefunden. Weitere Verhandlungsrunden sind für Oktober und Dezember 2014 geplant. Die Verhandlungsergebnisse sollen 2015 vorliegen und nach einer Evaluation von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
Eine unwiederbringliche Chance für Deutschland als Exportnation
Das Handelsabkommen soll grundsätzlich den gesamten Handel umfassen und mit dem Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren den Handel zwischen Europa und den USA erleichtern und den gegenseitigen Marktzugang umfassend verbessern. In den Bereichen Automobil, Maschinenbau, Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es noch zahlreiche Hindernisse, wie zum Beispiel unterschiedliche technische Anforderungen an die Beschaffenheit von Produkten, so dass für die Märkte zwei Varianten produziert werden müssen. Durch die Angleichung von Standards, Regelungen zum geistigem Eigentum und Patentrechten, sowie dem verbesserten Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen in den USA für deutsche Unternehmen und der Liberalisierung unterschiedlicher Dienstleistungsbereiche, wird TTIP Wachstum und Beschäftigung für alle bringen.
Bei diesem bilateralen Handelsabkommen geht es um eine Wirtschaftszone mit über 800 Millionen Verbrauchern, die ein Drittel der weltweiten Handelsströme erfasst.
Kein Ausverkauf unserer Standards und Niveaus
In den vergangenen Monaten haben sich globalisierungskritische Lobbyorganisationen, Verbraucherschützer und Gewerkschaften auf die TTIP-Verhandlungen gestürzt und proklamieren einen beispiellosen Abbau von bewährten Standards und Niveaus etwa in den Bereichen Arbeitnehmerrechte und -schutz, soziale Sicherheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Verbraucherschutz, öffentliche Dienstleistungen sowie dass die Daseinsvorsorge (Wasserversorgung), kulturelle Einrichtungen oder sogar die kulturelle Vielfalt aufs Spiel gesetzt werden würden.
Darüber hinaus skizzieren sie Szenarien, um ihren Kampagnen mit Schlagworten wie Chlorhühnchen, Gen-Food oder fahrlässigen Datenschutz den nötigen Aufwind zu verschaffen. Jüngstes Engagement ist das Bündnis „TTIP unfairhandelbar“, das aus der deutschen eine europaweite Kampagne machen will. Bislang haben 160 NGOs (Non-Governmental Organizations = Nichtregierungsorganisationen) aus 19 EU-Staaten eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP gestartet, um die Europäische Kommission aufzufordern, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen und eine Anhörung im EU-Parlament zu erzwingen.
Die wesentlichen Behauptungen der TTIP-Gegner möchte ich im Folgenden aufgreifen und sachlich korrekt darstellen:
Verbraucherschutz-Mythen von mangelhaften Produktionsstandards
Das hohe Niveau von Produktsicherheit und Verbraucherschutz soll in der EU erhalten werden. Regelungen zu materiellem Verbraucherrecht waren bisher noch nie Gegenstand von Freihandelsabkommen und sind auch nicht Teil des Mandates für die Verhandlungen mit den USA. Das bestehende Verbraucherschutzniveau soll nach dem Text des Mandates ausdrücklich geschützt und die Regelungsfreiheit vollständig erhalten werden.
Ein Absenken von Standards insbesondere etwa im Lebensmittelbereich steht nicht zur Debatte. Auch die USA betonen, dass TTIP für sie keine Deregulierungsagenda ist.
Investitionsschutz-Abkommen ist längst noch nicht ausgehandelt
Grundsätzlich müssen rechtmäßig getätigte Auslandsinvestitionen vor Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren sowie gegen unverhältnismäßige oder willkürliche Eingriffe geschützt werden. Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen bereits umfassenden multilateralen und bilateralen Schutzregeln, die ständig weiter entwickelt werden. Im Verhältnis zu den USA, deren Rechtssystem ausreichenden Schutz für ausländische Investitionen bietet, ist das aber nicht weiter notwendig.
Auch die Bundesregierung hat sich zur Diskussion um Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) in der Vergangenheit stets kritisch geäußert und sieht die Einbeziehung in das Abkommen nicht erforderlich. Auch aufgrund der zunehmenden Kritik in der Öffentlichkeit hatte die EU-Kommission eine dreimonatige Konsultation durchgeführt und die Verhandlungen zum Investitionsschutz für diesen Zeitraum ausgesetzt. Gegenwärtig werden die Ergebnisse ausgewertet, um dann die Verhandlungsposition mit den Mitgliedstaaten abzustimmen. Über die Einbeziehung dieses Bereichs in das Abkommen wird nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses entschieden werden.
Die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards, wie zum Beispiel Arbeits- und Umweltschutz, ist für beide Seiten vorrangiges Verhandlungsziel. Es soll ein wirksamer Mechanismus zur Umsetzung der Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bei Arbeits- und Sozialstandards in den Vertrag aufgenommen werden, die dann für alle verbindlich sind. Die Verbesserungen für Handel und Investitionen sollen nicht auf Kosten von Sozial- oder Umweltstandards, Arbeitsrecht oder Arbeitsschutz gehen.
Eine Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere der Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wird durch die laufenden Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen nicht erfolgen. Die hohe Qualität der Versorgungswirtschaft in der EU soll ausdrücklich aufrechterhalten werden. Dementsprechend sind diesbezüglich keine Zusagen der Kommission gegenüber den USA möglich.
Transparenz für einen erfolgreichen Abschluss
Aufgrund der großen Verunsicherung in der Öffentlichkeit, die durch verzerrende bis falsche Aussagen von verschiedenen globalisierungskritischen Gruppen geschürt wird, müssen die weiteren Verhandlungsrunden transparent und unter Einbeziehung der Öffentlichkeit geführt werden. Für eine breite Akzeptanz ist es zum einen unerlässlich, über die Inhalte und Fortschritte des Abkommens zu informieren und zum anderen das Verhandlungsergebnis sowohl dem Europäischen Parlament als auch den nationalen Parlamenten zur Zustimmung vorzulegen.
Mit dem Abkommen werden zu Recht große Hoffnungen und Erwartungen für die Vertiefung der Transatlantischen Partnerschaft verbunden. Mit TTIP soll nicht nur der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt geschaffen werden. Vielmehr können damit die westlichen Demokratien auch entscheidende strategische Weichen für das 21. Jahrhundert stellen, etwa mit Blick auf globale Abkommen im Handels- oder Klimaschutzbereich.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)