Wer die beiden Begriffe „Mittelstand“ und „Spionage“ einmal „googelt“, kommt aus dem Staunen kaum noch heraus. 31.000 Ergebnisse zeugen davon, dass der Mittelstand von einem Problem betroffen ist, das es früher nur im kalten Krieg zu geben schien.
Dabei fallen einem gleich auf der ersten Seite Schlagzeilen wie „Spionage wird für den Mittelstand zum Mega-Problem“ und „Mittelstand gegen Spionage nicht ausreichend abgesichert“ auf.
Worum geht es genau und warum wird das Problem jetzt akut? Im Grunde geht es fast immer um Produkte oder Produktteile, die illegal nachgebaut werden. Dabei gibt es fast nichts, was nicht kopiert wird. Waren es früher nur eine Hand voll Nobelmarken, die gefälscht wurden, so sind es heute zunehmend Produkte des normalen Alltags. Sei es das bekannte Nike-T-Shirt aus dem Türkeiurlaub, Maschinen-Ersatzteile wie zum Beispiel gefälschte Wälzlager der Schaeffler-Gruppe bis hin zu lebensgefährlichen Arzneimittel-Plagiaten: Alles was sich mit Gewinn veräußern lässt, wird gefälscht.
Hauptsächlich wird der Mittelstand hier aus China und Russland angegriffen, aber auch aus den USA, Großbritanien und Frankreich. Gerade technologisch innovative Firmen sind dabei das Ziel. Es sind aber weniger andere Firmen als vielmehr die Geheimdienste, die gezielt Informationen ausspionieren und weiterverkaufen. Besonders die beiden erstgenannten Staaten haben ihre Aktivitäten in den letzten Jahren massiv verstärkt, um den Vorsprung an Know-how westeuropäischer Staaten für das eigene Wirtschaftswachstum zu nutzen. So zählt es zu der höchsten, ehrenhaften Leistung eines chinesischen Ingenieurs, „perfekte Sachen perfekt nachzubauen“.
Der münstersche Filterhersteller Hengst erlebte es im Jahr 2006: Vor der Küste von Malta entdeckte der Zoll 200.000 Plagiate von Hengst-Filtern. Neben dem direkten wirtschaftlichen Schaden ist der Imageschaden oft noch größer: Plagiate sind von Laien optisch kaum vom Original zu unterscheiden – die technische Qualität ist meistens aber erschreckend schlecht. Schäden durch Plagiate werden aus diesem Grund oft dem Originalprodukt zugeschrieben, das Image „geht den Bach runter“. Global breit aufgestellte Unternehmen mögen das verkraften, bei mittelständischen Zulieferern, bei denen die Gewinnmargen ohnehin permanent unter Druck sind, kann dies schnell existenzbedrohend werden.
Produktionsstätten und Maschinen sind wertvoll und werden entsprechend versichert und geschützt. Informationen und Firmen-Know-how sind oft genauso wertvoll, versicherbar sind diese Werte in der Regel aber nicht. Um so wichtiger ist es, sie zu schützen. In einer Studie aus dem Jahr 2010 gaben fast die Hälfte aller Unternehmen an, keine präventiven Vorkehrungen getroffen zu haben. Dabei kann sich niemand sicher sein, dass eine kopierte Seite mit sensiblen Daten nicht auf einem Rechner in 5.000 km Entfernung zu sehen ist, noch bevor sie ganz gedruckt wurde. Und wer glaubt, dass Handywanzen ver boten sind, kann ja mal bei ebay nachsehen.
Ein absoluter Schutz vor einem Angriff auf das Unternehmenswissen ist sicher nicht möglich und würde jeden Kostenrahmen sprengen. Aber mit ein wenig gesundem Menschenverstand und einer gehörigen Portion Skepsis ist schon viel gewonnen. Von Experten wird hier empfohlen, zunächst sich selbst darüber klar zu werden, was überhaupt schützenswert ist und sich dann auf diesen Bereich zu konzentrieren. Bei Patententwicklungen zum Beispiel sollte das Gesamtwissen zerlegt werden und nur dem Eigentümer in seiner Gänze zur Verfügung stehen. Der Mensch selbst gilt nach wie vor als die größte Sicherheitslücke. Im Zweifel helfen die Landesbehörden des Verfassungsschutzes, die auch beratend tätig werden. Sie sind unter www.verfassungsschutz.de zu finden.
■ Hans-Peter Süßmuth