Text: Silvia Wiefel
Die Natur macht es uns vor. Alles wächst. Aber wächst alles unendlich?
Jeder Baum hat irgendwann seine endgültige Größe erreicht, der Mensch ebenso wie Tiere und Pflanzen. Es hat also ein Ende mit dem Wachstum.
Was aber dennoch wächst und wächst, ist die Wirtschaft. Seit Beginn der Industrialisierung wächst die Weltwirtschaft kontinuierlich. Ob unendliches Wirtschaftswachstum auf einem endlichen Planeten möglich bzw. sinnvoll ist, darüber streiten sich nach wie vor die Experten und das Für und Wider würde den Rahmen des Artikels sprengen.
Wirtschaftswachstum wird in der Regel dort infrage gestellt, wo Wohlstand herrscht. Das ist, wie wir wissen, bei weitem nicht überall auf der Welt der Fall. Es ist sozusagen ein First-World-Problem.
Diese globalen Aspekte würden, wie bereits gesagt, den Rahmen des Artikels sprengen. Es lohnt dennoch, die Argumente beider Lager anzuschauen, um sich seine eigene Meinung zu bilden.
Doch wie sieht es eigentlich bei kleinen bis mittleren Unternehmen mit dem Wachstum unter sich ständig erneuernden Einflussfaktoren aus?
Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Wirtschaft und spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Sie stehen oft vor der Herausforderung ein nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum zu erreichen.
Nachdenklich gemacht hat mich ein Gespräch, welches ich kürzlich mit einem Familienangehörigen geführt habe, der sich auf eine Stelle bei einem IT-Dienstleister beworben hatte. Beim Vorstellungsgespräch fragte er, warum er noch keine Werbung der Firma gesehen habe. Die Antwort des Firmeninhabers lautete: „Wir möchten unseren Kunden den bestmöglichen, persönlichen Service bieten. Unsere Kunden sollen uns als ihren Partner, als ihre persönliche „IT Abteilung“ wahrnehmen. Mit den vorhandenen personellen und strukturellen Ressourcen können wir das für unseren Kundenstamm gut abbilden. Wir wachsen über Mundpropaganda unserer zufriedenen Kunden. Ein schnelles Wachstum liegt daher nicht in unserem Fokus.“
Wachstum um jeden Preis? In der o. g. Firma also definitiv nicht.
Aus einer Position des Erfolgs heraus klingt das aus Sicht des Geschäftsführers verständlich und nachvollziehbar. Doch betrachten wir einmal den Aspekt Wachstum mit Blick auf den Titel dieser Rubrik: „Mensch und Arbeit“ und insbesondere mit Fokus auf die Mitarbeitenden eines Unternehmens.
Wie sind meine Perspektiven als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einem Unternehmen, welches keinen Wert auf Wachstum legt? Muss ich mit meiner Karriere und damit verbunden ggf. auch auf eine adäquate Gehaltsentwicklung warten, bis ältere Mitarbeitende in Rente gegangen sind?
Oder im umgekehrten Fall. Was ist, wenn ich in einem Unternehmen arbeite, welches schnell expandiert und angesichts des Fachkräftemangels mit Einstellungen nicht hinterherkommt?
Wie wirkt sich das auf die Arbeitsbelastung, die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht zuletzt auch auf die Zufriedenheit der Kunden aus?
Wie erfolgt das Wachstum? Durch Finanzspritzen von Investoren oder beispielsweise durch Zukäufe? Wie wirken sich diese Einflüsse auf die Unternehmenskultur aus, wenn andere Vorstellungen, Werte und Menschen das Unternehmen mit beeinflussen?
Wie man es auch betrachtet, letztendlich kommt man immer wieder zurück auf die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten. Sie sind ein – wenn nicht sogar der entscheidende – Dreh- und Angelpunkt für Wachstum.
Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist ein Erfolgsfaktor für nachhaltiges, ausgewogenes Wachstum. Zufriedene Mitarbeiter sind motiviert und tragen maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei, indem sie engagiert arbeiten und im besten Fall exzellenten Kundenservice bieten. Nicht zuletzt in Zeiten von Fachkräftemangel sind auch die Empfehlungen der zufriedenen Mitarbeitenden ein Vorteil gegenüber anderen Unternehmen.
Die Fluktuationsquote ist logischerweise bei zufriedenen Mitarbeitenden niedrig. Ein nicht zu vernachlässigender wirtschaftlicher Faktor, denn die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erfordert nicht unerhebliche Ressourcen.
Selbstständige Inhaber sollten daher darauf achten, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Mitarbeiterbindung fördert und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet.
Das ist sicher nicht der alles entscheidende Erfolgsfaktor für ausgewogenes Wachstum, aber sicher ein elementarer, wichtiger Baustein hierzu.
Wie man diese Zufriedenheit erreicht, ist von Unternehmen zu Unternehmen, Branche zu Branche sehr individuell. Leider gibt es kein Patentrezept dafür.
Ein erster, wichtiger Schritt wäre hierzu vielleicht erst einmal den Status Quo durch eine Mitarbeiterbefragung festzustellen. Das birgt vielleicht so manche Überraschung und auch Potential für Verbesserungen und damit auch für Wachstum.
Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass die Experten und Expertinnen für Ihr Unternehmen und die darin vorkommenden Tätigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten bereits mit ihrer Expertise in Ihrem Unternehmen vorhanden sind: Es sind Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Machen Sie sich diese Expertise für ein ausgewogenes Wachstum zunutze.
Zur Autorin:
Silvia Wiefel arbeitet in der Unternehmens- und Personalentwicklung und findet die vielfältigen Facetten menschlichen Verhaltens immer wieder aufs Neue spannend.