Die wollen mich überwachen. Die erhobenen Daten werden zu Werbezwecken verkauft. Durch die Nutzung dieser Technik werde ich gläsern. Ähnliche Vorbehalte hört man nicht selten, wenn von Telematik-Produkten die Rede ist. Zu Recht?
„Telematik (zusammengesetzt aus Telekommunikation und Informatik) ist eine Technik, welche die Bereiche Telekommunikation und Informatik verknüpft“, so kann man bei Wikipedia nachlesen. Einsatzbereiche sind zum Beispiel Verkehrssteuerung, Gebäudemanagement, E-Health oder E-Learning.
Auch in Versicherungsprodukte werden zunehmend Telematik-Aspekte integriert, insbesondere in der Kfz-Versicherung. Die beiden Marktführer Allianz und HUKCoburg bieten seit einigen Jahren entsprechende Produkte an. Auch die LVM, einer der größten Autoversicherer Deutschlands, hat vor wenigen Wochen ein ähnliches Produkt für junge Kunden (18 bis 30 Jahre) auf den Markt gebracht.
Ziel solcher Produkte ist es, die voraussichtliche Schadenentwicklung von Kunden über deren Fahrverhalten zu erkennen. Davon profitieren gute Fahrer durch einen geringeren Versicherungsbeitrag und der Versicherer durch geringere Schadenzahlungen.
So funktioniert‘s
Über eine App oder eventuell über einen im Fahrzeug angebrachten zusätzlichen Sensor erfasst und übermittelt der Kunde seine Fahrdaten an den vom Versicherer beauftragten Telematik-Dienstleister. Zu diesen Fahrdaten gehören zum Beispiel Anfang und Ende einer Fahrt, gefahrene Distanz, Straßenkategorie, starkes Bremsen, starkes Beschleunigen, Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, aber auch, ob der Fahrer durch das Verwenden des Smartphones während der Fahrt abgelenkt ist, zum Beispiel durch Telefonieren oder Versenden von Textnachrichten. Konkrete Standortdaten werden nicht übermittelt. Der Kunde kann sein Fahrverhalten in der App einsehen und so Optimierungspotenziale für die eigene Fahrweise erkennen.
Für die Teilnahme an der Telematik-Option bekommt der Kunde einen Rabatt auf den Beitrag seiner Autoversicherung. Bei guter Fahrweise erhält er weitere Vorteile, zum Beispiel Gutscheine für Waren oder Dienstleistungen.
Das weiß der Telematik-Dienstleister
Damit die Vorhersage des voraussichtlichen Schadenverlaufs gelingen kann, fließen viele Fahrdaten über die App an den vom Versicherer mit der Datenerhebung beauftragten Dienstleister. Um insoweit Datenschutz zu gewährleisten, hat sich eine klare, von den Datenschutzbehörden entwickelte Regel durchgesetzt: Die Kundendaten und die Fahrdaten werden organisatorisch in zwei unterschiedlichen Datenkreisen geführt. Vereinfacht gesagt heißt das: Der vom Versicherer mit der Erhebung der Fahrdaten beauftragte Dienstleister erhält keinerlei Daten zur Person eines Kunden wie zum Beispiel Name, Anschrift etc. Er kennt lediglich dessen E-Mail-Adresse zwecks Übermittlung von Registrierungsdaten.
… und das der Versicherer
Umgekehrt erhält der Versicherer vom Dienstleister keinerlei mit der Person des Kunden verknüpfte Aufzeichnungen zu Fahrten. Alle vom Kunden über die App übertragenen Daten übermittelt der Dienstleister an den Versicherer in verschlüsselter (pseudonymisierter) Form. In entschlüsselter Form sind die Daten dann ausschließlich einem kleinen, in Abstimmung mit dem Konzerndatenschutzbeauftragten des Versicherers festgelegten Personenkreis zugänglich (zum Beispiel dem Supportteam zur Beantwortung von Kunden- Anfragen).
Darüber hinaus gibt es – auf Grundlage der EU-Datenschutzgrundverordnung – eine Auftragsdatenvereinbarung zwischen dem Versicherer und seinem Dienstleister. Die sorgt dafür, dass der Dienstleister sich an die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Datenhaltung sowie an die vereinbarten Verarbeitungsbeschränkungen hält. Außerdem wichtig zu wissen: Es fließen keine Daten an Außenstehende, wie dies zum Beispiel heute beim Aufruf jeder beliebigen Internetseite geschieht, auf der der Nutzer – wie häufig üblich – „alles akzeptieren“ anklickt anstatt den mühsamen Weg zu gehen, den Verwendungszweck seiner Daten zu konfigurieren. Kunden werden auch nicht gläsern durch Telematik, da der Kreis der zur Einsicht Berechtigten aus den oben genannten rechtlichen Gründen stark begrenzt werden muss.
Big brother is watching you? Ja, bestimmt und auf vielen Wegen, aber nicht über Telematik in der Autoversicherung!
■ Rainer Rathmer