„Tief kaufen und hoch verkaufen, das können an der Börse nur zwei: der liebe Gott und der Lügner“, sagte einst Börsen-Altmeister André Kostolany. Schon deshalb ist die Frage „Time oder Timing?“ bei der Geldanlage schnell beantwortet. Das perfekte Timing ist ein Wunschtraum, der sich in der Praxis allenfalls zufällig erzielen lässt.
Wer nach der hervorragenden Entwicklung an den Aktienmärkten in den vergangenen Jahren mit seiner Investitionzögert, sollte sich indes fragen, worauf es bei einer langfristigen Anlage wirklich ankommt.
Niemand weiß, wie es in den Märkten weitergeht. Klar ist aber, dass das Warten auf Kursrückgänge, auf den „richtigen“ Einstiegszeitpunkt, in den letzten Jahren massiv Geld gekostet hätte. Und – Hand aufs Herz – wer bringt es wirklich fertig, nach bzw. in einem Crash ganz rational zu agieren und genau dann zu investieren, wenn andere aussteigen?
Wer glaubt, schlauer zu sein als der Markt, kann leicht die besten Börsenphasen verpassen. Die Investmentgesellschaft Fidelity hat einmal berechnet, wie es sich ausgewirkt hätte, wenn ein Anleger in den vergangen 10 Jahren die 40 besten Tage verpasst hätte. Das erstaunliche Ergebnis*: statt mehr
als 8 Prozent Ertrag pro Jahr bei einer Investition über den kompletten Zeitraum, wäre ein Minus von 4 Prozent jährlich zu verkraften gewesen. Ausdauer und Geduld hätten sich nicht nur ausgezahlt, sondern ohne Zweifel auch die Nerven geschont.
Eine andere Betrachtung zu diesem Thema kommt vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Hätte ein Anleger tatsächlich ausgerechnet am Handelstag vor der Lehman-Pleite in 2008 – dem Beginn der Finanzkrise – investiert, hätte er – Durchhaltevermögen vorausgesetzt – nach 11 Jahren dennoch ein schönes Plus** erwirtschaftet. Die unten stehende Grafik illustriert dies deutlich.
Wer sich bei der Überlegung zum Einstiegszeitpunkt noch immer unwohl fühlt, kann einen einfachen Trick anwenden. Neben der dringend zu empfehlenden klassischen Diversifikation (verschiedene Titel, Anlageklassen, Branchen, Länder), kann auch die zeitliche Diversifikation das Risiko senken. Wenn möglich, sollte die Einmalinvestition um einen monatlichen Sparplan ergänzt werden. So kann langfristig
sogar von den zwischenzeitlichen Kursrückgängen profitiert werden. Die weitere – deutlich seltener praktizierte – Möglichkeit besteht darin, die Anlagesumme zu splitten. Warum nicht die geplante Investition beispielsweise durch 12 teilen und so über ein Jahr Monat für Monat nur einen Teilbetrag
investieren? Auch hier wird erst in der Rückbetrachtung klar sein, ob es rein rechnerisch besser war als eine sofortige Investition der gesamten Summe. Aber mögliche Kursrückgänge lassen sich so entspannter betrachten.
Für den langfristigen Vermögensaufbau sind Aktienfonds alternativlos. Und wie schon Sir John Templeton feststellte: Die beste Zeit für die Geldanlage ist dann, wenn man Geld hat.
Was wäre, wenn Sie einen Tag vor der Lehman-Pleite in internationale Aktien investiert hätten?
*Untersucht wurde die Investition in den Index MSCI Europe (Europäischer Aktienmarkt) vom 30.09.2009 bis 30.09.2019.
** Investition am 12.09.2008 (bis 31.10.2019 in den MSCI World (Internationaler Aktienmarkt)
Wertentwicklungen der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für künftige Entwicklungen.
■ Hermann Mangels