Anfang April hat der Bundestag den Weg frei gemacht für eine neue Klasse von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen, den sogenannten Elektrokleinstfahrzeugen. Das sind vereinfacht gesagt Tretroller mit Elektroantrieb, die unter der Bezeichnung E-Scooter bekannt sind. Diese durften bisher nur auf privatem Gelände genutzt werden. Bei Redaktionsschluss für diese IGU-Ausgabe war geplant, dass der Bundesrat der entsprechenden Elektrokleinstfahrzeuge Verordnung am 17. Mai zustimmt, die dann zeitnah mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten kann.
E-Scooter werden also schon bald den Verkehr in deutschen Städten verändern. Ihre Anzahl wird schnell zunehmen. Denn sie sind für alle Altersgruppen gleichermaßen attraktiv und dürfen ohne Führerschein und Helm gefahren werden. Im europäischen Ausland sind sie zum Teil schon unterwegs, so zum Beispiel bei unseren direkten Nachbarn Belgien, Dänemark, Frankreich, Österreich und Schweiz.
Es ist ein noch größerer Boom zu erwarten als bei Pedelecs, die binnen weniger Jahre zu einer festen Größe im Straßenverkehr geworden sind. Anders als Pedelecs sind E-Scooter echte Kraftfahrzeuge, die bestimmte gesetzliche Vorgaben hinsichtlich Lenkstange, Bremsen und Beleuchtung erfüllen müssen und die – das ist ganz wichtig – über eine Betriebserlaubnis (allgemeine Betriebserlaubnis oder Einzelbetriebserlaubnis) für den Straßenverkehr verfügen müssen. E-Scooter ohne Betriebserlaubnis dürfen wie bisher nur außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs genutzt werden.
Die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von E-Scootern beträgt maximal 20 km/h. Sie dürfen nicht auf Fußwegen oder in Fußgängerzonen fahren, sondern müssen Radwege und Radfahrstreifen nutzen. Dort wo diese nicht vorhanden sind, müssen sie auf der Straße fahren. Das Mindestalter für den Fahrer beträgt 14 Jahre.
Der Halter eines solchen E-Scooters ist verpflichtet, eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Dafür gelten ähnliche Vorschriften wie für Fahrzeuge mit Versicherungskennzeichen: Die Versicherung kann für maximal ein Jahr geschlossen werden. Das Versicherungsjahr beginnt wie bei Fahrzeugen mit Versicherungskennzeichen am 1. März eines Jahres und endet im Februar des Folgejahres.
Der Nachweis des Versicherungsschutzes erfolgt jedoch nicht durch ein Versicherungskennzeichen aus Blech, sondern durch eine am Fahrzeug anzubringende Versicherungsplakette aus einer Klebefolie. Die Versicherungsplakette ist ungefähr halb so groß wie ein Versicherungskennzeichen und je nach Verkehrsjahr in den Farben schwarz, blau oder grün bedruckt. Versicherungsplaketten können bei den Kfz-Versicherern erworben werden. Die LVM Versicherung als einer der günstigsten Anbieter für Fahrzeuge mit Versicherungskennzeichen bietet sie zum Beispiel zu deutlich günstigeren Beiträgen an als für Mofas und Roller.
E-Scooter kommen also bald auf deutsche Straßen. Sie kommen aber nicht geräuschlos. Denn es wurde bis zuletzt hitzig diskutiert, wo sie im Verkehrsraum fahren sollen und wo nicht.
Wenn ich die Diskussionen in den Medien verfolge, habe ich den Eindruck, als sehe man aktuell mehr Risiken als Chancen. Das ist allerdings meine ganz persönliche Wahrnehmung. Ich bin sicher, dass sich die Diskussion in eine andere Richtung bewegen wird. Denn die Chancen dieser neuen Fahrzeugart sind offensichtlich, zum Beispiel die Handlichkeit, die Möglichkeit kleinere Strecken zurückzulegen, ohne Auto oder Bus nutzen zu müssen, geringe Unterhaltskosten, kein Erfordernis für einen Führerschein und wer mag, darf auch auf einen Helm verzichten. Zu diesen rationalen Gründen gesellt sich noch etwas ganz Entscheidendes: der Fahrspaß. Wer einmal mit einem E-Scooter gefahren ist, der ist infiziert.
■ Rainer Rathmer