Kaum eine Woche, in der nicht in den Medien über „autonomes Fahren“ berichtet wird. Die Begrifflichkeiten werden dabei nach Belieben gewechselt: autonom, automatisiert, vollautomatisiert. Worum geht es dabei eigentlich?
Was ist automatisiertes oder autonomes Fahren?
Der grundsätzliche Unterschied kann am besten durch die veränderte Rolle des Fahrers deutlich gemacht werden: Während der Fahrer beim automatisierten Fahren, was als die „softwareseitige Kombination“ von Fahrerassistenzsystemen zu verstehen ist, das Fahren weiter übernehmen kann, ist er beim autonomen Fahren nur noch Passagier. Darüber hinaus wird beim Grad der Automatisierung von Fahrzeugen – nach der Stufe 0 „Driver only“ – in fünf Stufen unterschieden, wie die nachfolgende Abbildung zeigt:
Aktueller Stand
Um es klar zu sagen: Von der Stufe 5 sind wir auf deutschen Straßen aktuell noch weit entfernt. Nicht nur technisch, sondern auch rechtlich. Erst in diesem Sommer hat der deutsche Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen für das Fahren von „Kraftfahrzeugen mit weiterentwickelten automatisierten Systemen“ freigemacht.
Dieses Gesetz beschäftigt sich damit,
◗◗ dass Kraftfahrzeuge mit weiterentwickelten automatisierten Fahrsystemen im Verkehr auf öffentlichen Straßen genutzt werden können
◗◗ dass der Fahrzeugführer dem System in bestimmten Situationen die Fahrzeugsteuerung übergeben kann
◗◗ die Haftung im automatisierten Fahrbetrieb zu regeln.
Der Fahrer darf sich demnach während der Fahrzeugführung mittels automatisierter Fahrfunktionen vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden. Aber: Er muss derart wahrnehmungsbereit bleiben, dass er jederzeit die Fahrzeugsteuerung wieder übernehmen kann, z. B. wenn das System ihn dazu auffordert oder wenn er eine Störung des Systems erkennt („kein Nickerchen auf dem Rücksitz“). Das Gesetz regelt demnach nicht die Nutzung von autonomen Kraftfahrzeugen („Roboterautos“, Autos ohne Lenkrad) auf öffentlichen Straßen.
Wer haftet eigentlich? Fahrer, Fahrzeughalter, Hersteller?
Aktuell wird noch immer heiß diskutiert, wer haften soll, wenn das System, das das Fahrzeug führt, versagt. Dann soll – so die häufige Meinung – der Hersteller haften. Klingt logisch. Ist aber etwas komplizierter. Eine Herstellerhaftung gibt es jetzt schon (Produkthaftung). Es ist aber nicht wirklich sinnvoll, wenn der Geschädigte sich nach einem Unfall an den Kfz-Hersteller wenden muss. Der deutsche Gesetzgeber hat sich daher – einstweilen – für das bewährte Haftungssystem entschieden: Der Kfz Haftpflichtversicherer des Fahrzeughalters reguliert die Ansprüche des Geschädigten. Der Kampf „David gegen Goliath“ (Geschädigter gegen Autohersteller) soll dadurch vermieden werden. Im Falle eines Systemfehlers („Produktfehler“) wird der Versicherer Regress beim Autohersteller nehmen.
Eine richtige Verteilung der Verantwortlichkeiten! Denn der Versicherer kann sich im Gegensatz zum Geschädigten „auf Augenhöhe“ mit dem Kfz-Hersteller austauschen.
Wem gehören die vom System gespeicherten Daten?
Auch wenn das im Sommer verabschiedete Gesetz erste Regelungen zur Datenthematik bei Kraftfahrzeugen mit automatisierten Fahrfunktionen enthält, bleibt der Umgang mit den Daten aus dem „Datenlieferant Auto“ ein entscheidendes Thema.
Die Aufzeichnung der Daten muss u.a. klären: Wer ist gefahren bzw. hat einen Fehler gemacht, das System oder der Fahrer? Nur so kann die verursachungsgerechte Aufklärung von Schadensfällen gewährleistet werden. Details, wie zum Beispiel die technische Ausgestaltung und der Ort des Speichermediums (Blackbox im Auto oder Cloud) müssen noch durch Rechtsverordnungen geregelt werden.
Eine entscheidende Frage scheint dem Grunde nach geklärt: Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer sollen über die Weitergabe der angefallenen Daten entscheiden. Die Umsetzung ist jedoch schwierig. Hier ist noch viel zu regeln.
Ethische Fragen – wie weit darf Technik gehen?
Automatisiertes bzw. autonomes Fahren wird die Gesellschaft stark verändern. Und es wirft viele Fragen auf, auch grundlegender Art, die auf der Grundlage unserer gesellschaftlichen Wertvorstellungen zu beantworten sind. Aus diesem Grunde hatte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die „Ethik-Kommission Automatisiertes und Vernetztes Fahren“ unter Leitung des früheren Bundesverfassungsrichters Prof. Udo Di Fabio eingesetzt. In diesem Juni veröffentlichte sie ihren Ergebnisbericht mit 20 ethischen Kernpunkten für den automatisierten und vernetzten Fahrzeugverkehr. Unter anderem werden darin grundlegende Regeln zur Programmierung solcher Systeme formuliert, so zum Beispiel für sog. „dilemmatische“ Entscheidungen. Also zum Beispiel: Welche Wahl soll das fahrzeugführende System treffen, wenn ein Unfall mit einem von zwei Übeln unvermeidbar ist? Ist der Unfall mit einem Rentner nicht so schlimm wie der mit einem Kind? Lieber die einzelne Person als die Personengruppe überfahren? Solche Vorgaben sollen nach dem Willen der Ethik-Kommission – vollkommen zu Recht – nicht programmiert werden dürfen. Menschenleben dürfen nicht gegeneinander abgewogen werden.
Autofahren ist rational! Wirklich?
Autos sind Gebrauchsgegenstände!? Lassen wir daher doch ruhig das System fahren!?
Hand aufs Herz und ehrlich sein: Autos werden zu einem großen Teil „mit dem Bauch gekauft“. Marke, Form, Lackierung, Motorstärke, Leder, Felgen – all das übt einen emotionalen Reiz aus. Der Kaufpreis ist dann nur noch die rationale Klammer eines emotionalen Kaufs.
Und die Emotion endet nicht beim Autokauf. Sie begleitet uns das ganze Autoleben lang. Wer kennt sie nicht, die Werbesprüche wie „So baut man Sportwagen“ oder „aus Freude am Fahren“.
Können wir uns ein so beworbenes Auto automatisiert fahrend vorstellen? Ja, das ist unproblematisch. Können wir es uns auch autonom fahrend vorstellen? Nein, nicht wirklich bzw. nur mit extrem viel Phantasie – und das hat im „Autoland“ Deutschland eine Vielzahl von Gründen.
Egal, wie wir gefühlsmäßig dazu stehen: Die Automatisierung des Autos wird weiter voranschreiten. Es bleibt spannend. Bleiben wir offen für das, was uns erwartet!
■ Marcel Peschl / Rainer Rathmer