4/2016 Wohin steuert Deutschland 2017?

Wohin man in den letzten Monaten auch schaut – Frankreich, Niederlande, Dänemark, Großbritannien oder USA –, in vielen Ländern machen sich Rechtspopulisten die Sorgen der Menschen und ihre wirtschaftlichen Existenznöte bis hin zum islamistischen Terror zu eigen, um Stimmung in den eigenen Gesellschaften zu machen und den inneren Frieden aufs Spiel zu setzen. Wie sieht die Situation in Deutschland aus?
Schaut man sich dafür zunächst die Gesamtsituation in Deutschland an, können sich die Rahmenbedingungen sehen lassen: Seitdem die Union mit Bundeskanzlerin Angela Merkel 2005 die Regierungsverantwortung übernommen hat, hat sich die Arbeitslosigkeit halbiert, vier Millionen neue Arbeitsplätze wurden geschaffen sowie zahlreiche zukunftsweisende Maßnahmen ergriffen, um die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken. Eine der größten Herausforderungen ist dabei zweifelsohne der demografische Wandel. Dieser wird auch weiterhin ganz oben auf der politischen Agenda stehen.
Darüber hinaus konnten die öffentlichen Finanzen ins Gleichgewicht gebracht werden: Seit 2015 gibt es keine neuen Schulden. Das hat es das letzte Mal 1969 gegeben. So sollte es auch über das Jahr 2017 hinaus weitergehen. Eine Regierung, die rigoros Schulden macht, um in der Wählergunst vorne zu liegen, handelt meines Erachtens verantwortungslos. Man kann nicht einfach das Geld und den Wohlstand zukünftiger Generationen aufs Spiel setzen. Eine solide Haushaltspolitik schafft Vertrauen in unseren Wirtschaftsstandort Deutschland und zieht private Investitionen aus aller Welt an. Neue Freiräume müssen gezielt für Zukunftsinvestitionen eingesetzt werden. So sieht das auch der Finanzplan für die nächsten Jahre vor. Investitionen in die Zukunft – in Bildung, Forschung, Infrastruktur – sind Voraussetzung für wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Die Investitionsquote ist so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Diese Art der Politik hat dazu beigetragen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands entscheidend zu festigen.
Trotz dieser Entwicklung hat sich etwas verändert: Die Zufriedenheit in der Bevölkerung ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Man liest von Hass auf das politische Establishment, auf große Wirtschaftsunternehmen und auf die Medien. Allen wird eins vorgeworfen: Dass sie nicht zuhören und die Probleme der Menschen nicht ernst nehmen. Außerdem sei eine offene Meinungsäußerung und Diskurs ohne eine Vorverurteilung gar nicht möglich. Das alles zeigte sich nicht nur auf den Straßen vieler Städte während der sogenannten Pegida-Demonstrationen, sondern vor allem auch am Rande der diesjährigen Feierlichkeiten zum 3. Oktober in Dresden. Parallel dazu änderte sich der Umgangston, von kritischen Anmerkungen zu absolut hemmungslosen Verbalattacken u.a. in den sozialen Netzwerken.
AfD stellt Grundwerte der Demokratie in Frage
Die Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungen während der europäischen Staatsschuldenkrise kanalisierte sich schließlich in der Gründung der europakritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). War hierfür zunächst in erster Linie noch die Begrenzung bzw. Einschränkung der Entscheidungsmacht der Eurokraten in Brüssel ausschlaggebend, konnte die AfD infolge ansteigender Flüchtlingszahlen, islamistischer Terroranschläge in europäischen Nachbarstaaten sowie infolge einer gescheiterten politischen Integration des aufkommenden Protestes ins etablierte Parteiensystem politisches Kapital daraus schlagen.
Scheinbar einfache Lösungen, wie ein „Nein“ zur EU, zum Euro oder zu Flüchtlingen scheinen vielerorts Konjunktur zu haben. Mit populistischen Reden wird ein Ende der europäischen Zusammenarbeit und Abschottung herbeigesehnt. Politiker werden pauschal als Volksverräter beschimpft. Dabei wird auf radikale Vereinfachung und Provokation gesetzt. In erster Linie um sich Gehör zu verschaffen – und das mit Erfolg: Von allen Parteien, vor allem aber von Nichtwählern, profitierte die AfD am meisten und ist gegenwärtig in 10 Landtagen vertreten.
Lösungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Deutschland ist eine freie, offene, solidarische und pluralistische Gesellschaft, die auf den Grundwerten der Aufklärung, der Rechtsstaatlichkeit sowie dem gegenseitigem Respekt und Anstand fußt. Die etablierten Parteien haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Viele Wähler sind verunsichert und haben ihr Vertrauen in die Politik verloren. Sie müssen sich ernsthaft und sachlich mit den Wählern auseinandersetzen – von der AfD erwartet bislang niemand konkrete Lösungen auf die drängenden aktuellen Probleme. Die Verantwortung der Politik besteht aber doch gerade darin, Orientierung zu geben und Lösungen anzubieten, anstatt lauthals nur zu sagen, was alles nicht geht und Partikularinteressen zu vertreten.
Die gegenwärtige Situation gefährdet den inneren Frieden und vieles von dem, was in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde: Den Wohlstand, das wirtschaftliche Wachstum und damit die Stabilität und die Sicherheit in Deutschland. Deshalb wird das nächste Jahr mit den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und letztlich der Bundestagswahl im September 2017 richtungsweisend sein.
Wir als politisch Verantwortliche dürfen uns also nicht zurücklehnen, sondern müssen im Gegenteil noch viel mehr als zuvor die Bürgerinnen und Bürger im Ringen um die besten Lösungen mitnehmen.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)

IGU e. V.