2/2016 Vorsorge vor dem Hintergrund der aktuellen Rentendiskussion

Kaum ein Thema ist in den letzen Wochen so präsent in den Medien gewesen wie das Thema „Zukunft der Rente“. Es zeichnet sich ab: Die Debatte über Flexi-Rente, Lebensleistungsrente, Altersarmut und den Abstand zwischen Rente und Grundsicherung könnte eines der wichtigsten Wahlkampfthemen der nächsten Bundestagswahl werden.
Konkret fordert Ministerpräsident Seehofer „höhere Altersbezüge für alle“. Nach seiner Einschätzung führt die in der Vergangenheit beschlossene Kürzung des Rentenniveaus dazu, „dass etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe landen würde“. Selbst unsere Bundeskanzlerin wird von der tagesschau. de mit den Worten zitiert: „Die gesetzliche Rentenversicherung werde in Zukunft … nicht reichen. Wir sind gefordert, Altersarmut vorzubeugen und geeignete Lösungen zu entwickeln.“ Und die Bild-Zeitung brachte es im April mit einer Titelschlagzeile auf den Punkt: „Renten- Alarm. Das kommt jetzt auf uns zu.“

Demografie-Problematik der gesetzlichen Rentenversicherung seit Jahrzehnten bekannt

Die Probleme der Rente sind nicht neu – doch manifestieren sie sich, je näher die geburtenstarken Jahrgänge sich dem Rentenalter nähern: Immer mehr Rentner müssen bei immer längerer Lebenserwartung von immer weniger Beitragszahlern finanziert werden. Doch schon zu Beginn des Jahrtausends steckte die gesetzliche Rente in ernsten Schwierigkeiten: Ein Konjunkturabschwung mit fast 5 Millionen Arbeitslosen brachte die Reserve der Rentenkasse an ihre Grenze: „Neues Renten-Loch – ab September kein Geld mehr“ titelten einige Boulevardblätter im Februar 2004. Erst der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre spülte mit der wachsenden Zahl der Beschäftigten hohe Einnahmen in die Sozialkassen – und ließ die grundsätzlichen demografischen Probleme des Systems „Rente“ in den Hintergrund treten. Nur vor diesem Hintergrund waren die „Rente mit 63“ und die „Mütterrente“ möglich. Die Krise im Euroraum und die Flüchtlingsproblematik taten ihr Übriges, um dieses wichtige innenpolitische Thema lange zu vernachlässigen.

Die Null-Zins-Politik der EZB macht verstärkte Anstrengungen in der kapitalgedeckten, privaten Vorsorge notwendig

Mit der weiter fortschreitenden Niedrigzinspolitik und den damit verbundenen Einschränkungen bei der wichtigen privaten Vorsorge treten die demografischen Probleme wieder verstärkt in den Fokus. Die aktuelle Kampagne der Versicherungswirtschaft auf Basis der Prognos-Studie „Du lebst 7 Jahre länger als du denkst“ greift diese Problematik auf*.Zeitgleich sinkt die Vorsorgebereitschaft vieler Bürger: Motivator zur Vorsorge war immer schon der Zins und die Erfahrung, dass heutiger Konsumverzicht durch eine bestimmte Rendite ausgeglichen wurde und sich Sparen somit lohnt. Ohne Zins fühlt sich der sparende Bürger als Depp. Dabei ist klar: Gerade bei sinkenden Zinsen muss die Sparleistung entsprechend erhöht werden, um ein gestecktes Sparziel zu erreichen und Versorgungslücken zu schließen.
Beides zusammen: Demografie-Probleme der gesetzlichen Rente und geringe Vorsorgebereitschaft wegen der Niedrigzinspolitik bieten ein hohes Potenzial für Altersarmut.

Prognose

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung belegt die Darstellungen vieler Medien: Es ist in den nächsten 10 Jahren ein starker Anstieg des Altersarmutsrisikos zu erwarten, besonders in den ostdeutschen Bundesländern, bei Frauen und Alleinstehenden sowie bei Geringqualifizierten.
Aktuell liegen in den neuen Bundesländern aufgrund der hohen kontinuierlichen Erwerbsbiografien auch der Frauen die Altersrenten noch recht hoch. Dies wird sich aber drastisch ändern, denn zunehmend kommen Versicherte in den Rentenbezug, die in den Jahren nach der Wende von langjähriger Arbeitslosigkeit betroffen waren.
Ein weiterer Grund ist, dass die Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors und der prekären Beschäftigungsverhältnisse zu geringeren Rentenanwartschaften führen. Und wenn dann die Erwerbsbiografie wie bei vielen Frauen durch Kindererziehung unterbrochen oder beendet wurde, ist der Weg vorgezeichnet.
Ganz entscheidend für das Armutsrisiko ist aber auch, dass infolge der Rentenreformen seit 2001 das Leistungsniveau der Rentenversicherung „in der Breite“ gesunken ist und weiter absinkt.

Lösungsansätze

Die Politik steht vor der schwierigen Aufgabe, zukünftigen Rentnergenerationen Wege in ein auskömmliches Alter aufzuzeigen und diese auch zu finanzieren: Im Jahr 2035 wird Deutschland die älteste Bevölkerung der Welt haben. Es wird dann doppelt so viele über 60-Jährige geben wie unter 20-Jährige. Prognosen zufolge wird jedes zweite heute geborene Baby 100 Jahre. Eine Gesellschaft, die älter wird, kann nicht früher aufhören zu arbeiten. Die gesetzliche Altersrente wird tendenziell später gezahlt werden müssen und sie wird immer häufiger nicht die einzige Einkommensquelle sein können. Aus diesem Grund geht an der Förderung der privaten und betrieblichen Vorsorge kein Weg vorbei.
Wer nicht auf politische Lösungen setzen möchte, dem ist dringend zu eigenverantwortlicher Vorsorge geraten. Erst recht sollte man nicht auf steigende Zinsen warten: Jedes Jahr, das man früher startet, zahlt sich später in einer höheren privaten Rente aus. Statt zu warten sollten die Sparanstrengungen sogar verstärkt werden. Die Versicherungswirtschaft bietet auch in einem Niedrigzinsumfeld Alternativen: Gute, rentierliche Anlagen deutlich über der Inflationsrate, die ggf. durch staatliche Förderung und steuerliche Vorteile noch weiter an Attraktivität zunehmen oder Fonds-Varianten sind in den Beratungsgesprächen wichtige Punkte.
Jeder Mensch hat lebenslange Ausgaben und braucht dafür lebenslange Einnahmen. Nur wer in eigener Initiative dafür sorgt, im Alter neben der gesetzlichen Rentenversicherung weitere private Altersbezüge zu haben, wird seinen gewohnten Lebensstandard für das letzte Drittel seines Lebens halten können. Und nur eine Rentenversicherung garantiert eine lebenslange Leistung, egal wie alt man wird.
■ Hans-Peter Süßmuth
*www.7jahrelaenger.de

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