Die deutsche Wirtschaft brummt und wächst sogar stärker als von Experten erwartet. Die Zahl der Arbeitslosen ist, dank der Industrie, dem Dienstleistungssektor und den Exporten, auf dem niedrigsten Stand seit 1991. Wie kann sich diese Entwicklung fortsetzen? Ein wichtiger Beitrag der Politik wäre, die Wirtschaft nicht weiter zu belasten, damit Investitionen nicht verschoben und die Stabilität unseres Wirtschaftsstandortes aufs Spiel gesetzt werden. Aber sind diese Erwartungen realistisch?
Priorität: Keine Steuererhöhungen und gezielte Investitionen in die Infrastruktur
Die Finanz- und Eurokrise hat Deutschland gut überstanden, sie eher gestärkt als geschwächt. Auch nach dem Wegfall Russlands als wichtigem Exportmarkt hat sich die deutsche Wirtschaft insgesamt als finanziell solide erwiesen. Die politische Entscheidung, von Steuererhöhungen abzusehen, ohne dabei den Schuldenabbau aus dem Blick zu verlieren, hat eine gute Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung gelegt. Es steht außer Frage, dass in Kürze weitere Herausforderungen auf die Wirtschaft zukommen werden, zum Beispiel die Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt.
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren die Spielräume im Bundeshaushalt genutzt, um gezielte Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen. Es wurde und wird mehr Geld für die Verkehrswege, aber auch für den Breitbandausbau bereitgestellt. Auch die Stärkung wichtiger Zukunftsfelder wie Bildung, Forschung und Wissenschaft werden kontinuierlich gestärkt. So stand zum Beispiel noch nie zuvor so viel Geld für die Forschung zur Verfügung. Und das zeigt Wirkung: Deutschland behauptet sich im Wettbewerb um die klügsten Köpfe.
Reform der Erbschaftssteuer: Möglichst geringe Auswirkungen für die Unternehmen
Im Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Begünstigungen für Erben großer Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt. Nachdem das Bundeskabinett am 8. Juli 2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes beschlossen hat und die 1. Lesung im Deutschen Bundestag stattfand, wurden unter anderem durch die Stellungnahme des Bundesrates und die öffentliche Anhörung die Differenzen immer deutlicher – insbesondere hinsichtlich der Betriebsvermögen. Seit letztem Jahr wird intensiv an einem Kompromiss gearbeitet, da die Reform bis Juni 2016 stehen muss. Ganz klar, der Kompromiss der am Ende rauskommen wird, wird nicht allen gefallen. Die Verankerung einer Investitionsklausel und eines vereinfachten Ertragswertverfahrens unter Berücksichtigung eines höheren Risikofaktors wären schon ein Erfolg gegenüber dem von Bundesfinanzminister Schäuble vorgelegten ursprünglichen Entwurf. Letztendlich werden höhere Belastungen von Erbschaften und Schenkungen bei großen Unternehmen nicht ausbleiben. Die Verschonung kleiner und mittlerer Unternehmen wird und muss aber bestehen bleiben.
Werkverträge und Leiharbeit gehören zu einer arbeitsteiligen und flexiblen Wirtschaft
Im November 2015 hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erste Eckpunkte zur stärkeren Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit vorgelegt. Insgesamt sind Werkverträge, wie auch Leiharbeit, wichtige Instrumente des Arbeitsmarktes und nicht per se „Billigarbeit“. Sie sind wichtig für das Funktionieren des Wirtschaftslebens. Die Arbeitnehmer, die in einem Werkvertragsunternehmen arbeiten, befinden sich zum Beispiel in einem ganz normalen Arbeitsverhältnis mit allen Schutzmechanismen.
Ganz klar: Regelungen gegen den Missbrauch in der Leiharbeitsbranche und bei Werkverträgen aufzustellen ist richtig und wichtig. Gemeinsam mit den Sozialpartnern muss der Missbrauch verhindert werden und faire Bedingungen am Arbeitsmarkt müssen sichergestellt werden. Das wurde auch 2013 im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD so festgehalten.
Neue Regelungen sollten aber nicht auf Kosten derjenigen Branchen und Unternehmen gehen, die seit Jahrzehnten verlässliche Pfeiler unserer Wirtschaft sind. Genau deshalb hat die Union die vorgestellten Eckpunkte abgelehnt. Sie wurden zurückgezogen und werden gegenwärtig überarbeitet. Es gibt noch keinen Referentenentwurf der die Zustimmung im Bundeskabinett finden würde. Gegenwärtig laufen die Beratungen innerhalb der Bundesregierung noch. Deshalb sind der Beginn und der zeitliche Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch unklar.
Niedrigzinsen: Segen und Fluch zugleich
Ein positiver Effekt der historisch niedrigen Zinsen: Die Kredite sind so günstig wie nie. Die Kehrseite der Medaille, die neben Kleinsparern mit langfristigen Anlagen auch Unternehmen belastet: Die Rückstellungen für Betriebsrenten müssen höher angesetzt werden. Sinkt das Zinsniveau um einen Prozentpunkt, müssen Unternehmen ihre Pensionsrückstellungen um etwa 20 Prozent erhöhen. Sie sind gezwungen, bei Verbindlichkeiten mehr Geld für spätere Betriebsrenten zurückzulegen. Und das bremst Investitionen.
Diese Folgen wurden jetzt abgeschwächt: Für die Kalkulation des Zinssatzes zur Berechnung von Rückstellungen für Betriebsrenten ist nach der Neuregelung der Durchschnitt der vergangenen zehn Geschäftsjahre zugrunde zu legen – vorher waren es sieben Jahre. Mit der Änderung geht eine Ausschüttungssperre einher. Es soll keinen zusätzlichen Spielraum geben, mehr Gewinne auszuschütten, nur weil die Rückstellungen neu berechnet werden. Damit die Neuregelung kurzfristig in Kraft treten konnte, wurde sie am 18. Februar 2016 mittels eines sogenannten Omnibusverfahrens verabschiedet. Die Neuregelung ist erstmals für nach dem 31. Dezember 2015 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden. Diejenigen Unternehmen, die ihren Jahresabschluss 2015 noch nicht aufgestellt haben, erhalten ein Wahlrecht, die Neuregelung bereits zum 31. Dezember 2015 anzuwenden.
Fazit: Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken
Mit der Vorlage des Finanzplanes bis 2019 hat die Bundesregierung im September 2015 festgelegt, auch künftig keine neuen Schulden zu machen und weiterhin mehr Geld in Zukunftsaufgaben zu investieren. So wird sichergestellt, dass die wachstumsfreundliche Haushaltspolitik auch fortgesetzt wird.
Außerdem könnten die Abschlüsse der beiden internationalen Handelsabkommen CETA und TTIP, zwischen der Europäischen Union und Kanada bzw. USA, für weitere positive Effekte für unsere exportorientierte Wirtschaft sorgen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Maßnahmen, im Zusammenspiel mit dem Abbau von Handelsbeschränkungen und dem freien Marktzugang, dafür sorgen werden, dass die positiven Effekte für unsere heimische Wirtschaft deutlich überwiegen.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)