Von den Möglichkeiten und Grenzen der Kommunikation von morgen, die schon heute jeder nutzen kann
Telefonieren über große Entfernungen und dennoch seinem Gegenüber von Angesicht zu Angesicht in die Augen schauen, Gestik und Mimik nutzen können sowie dem Gespräch durch non-verbale Kommunikation eine ganz persönliche Note geben: Das waren von Beginn an die Visionen, die man mit dem Telefon verband, seit Alexander Graham Bell im späten 19. Jahrhundert den Fernsprecher zur Marktreife gebracht hatte. Verschiedene Autoren, nicht selten aus dem Science-Fiction-Bereich, nahmen die Ideen auf und entwickelten immer ausgefeiltere Varianten der Videotelefonie. Doch schließlich brachte nicht das Telefon selbst den Durchbruch, sondern das Internet.
Viele Errungenschaften des so genannten Web 2.0 sind für uns heute Alltag und auch die Videotelefonie ist letztlich nur die logische Konsequenz des Zusammenspiels unterschiedlicher Standardwerkzeuge. Aber anders als das Telefon zu seinen Pionierzeiten gibt es die Videotelefonie heute sogar kostenlos, wenn man mal von den Gebühren einer normalen Internetverbindung absieht. Der bekannteste Anbieter heißt Skype und gehört mittlerweile zum Microsoft Konzern. Die Software ist frei im Internet verfügbar und kann größtenteils kostenlos genutzt werden. Nutzer müssen hierfür ein Konto erstellen, bei dem der Benutzername eindeutig ist und ähnlich einer Telefonnummer verwendet wird. Kontoinhaber können Listen mit ihren Bekannten erstellen und haben dann die Möglichkeit zu sehen, ob diese ebenfalls online sind. Daraufhin kann eine Videotelefonie-Verbindung von einem zum anderen Konto hergestellt werden. Das Programm kann über Desktop-PCs, Notebooks, Tablets und Smartphones genutzt werden. Neben Skype gibt es diverse weitere Anbieter mit ähnlichen Angeboten im Markt, darunter auch Open-Source-Lösungen.
Der geschäftliche Nutzen
Zwangsläufig drängt sich die Frage auf, ob und wie sich diese neue Form der Kommunikation auch im geschäftlichen Alltag nutzen lässt. Verschiedene Branchen haben eine Vorreiterrolle übernommen, insbesondere diejenigen, in denen längere Beratungsgespräche im Vordergrund stehen. So beispielsweise Versicherungen und Krankenkassen, Call Center-Dienstleister, Marktforscher und sogar Scheidungsanwälte. Die Vorteile liegen hier auf der Hand: Weder Kunde noch Gesprächspartner müssen eine Anreise und die damit verbundenen Aufwände (zeitlich und monetär) in Kauf nehmen. Trotzdem kann eine sehr persönliche Gesprächsatmosphäre entstehen, da man die Körpersprache des Gegenübers unmittelbar zu Gesicht bekommt. Darüber hinaus können Dokumente, wie Anträge oder Prospekte, online ausgetauscht werden, so dass beide Seiten über den gleichen Informationsstand verfügen. Allerdings ist festzustellen, dass die Resonanz der Kunden auf derartige Angebote bisher eher bescheiden ausfällt. Der Grund ist aber weniger in der Technik als vielmehr in ihrer bisher nicht allzu großen Verbreitung zu suchen. Videotelefonie ist nicht kompliziert, aber mit Kamera, dem passenden Programm etc. doch aufwendiger als ein normales Telefonat. Daher nutzen heute vor allem jüngere oder technikaffine Kunden den Service der Videotelefonie. Im Umkehrschluss lässt sich genau diese Zielgruppe sehr gut über das Medium adressieren, vom Imagegewinn als Anbieter eines hochmodernen Kommunikationsmediums ganz abgesehen.
Steigendes Interesse
Aktuell werden mehr und mehr Unternehmen auf die Vorteile der Videotelefonie aufmerksam. Und auch wissenschaftlich wird das Thema ergründet. In einer Bachelorstudie wurden Ende 2014 erstmals die Vor- und Nachteile von „Videoberatung in der Versicherungsbranche“ aus Kunden- und Vermittlersicht empirisch erhoben und analysiert. Das Fazit der Akademiker: Versicherungsvermittler sollten sich besser heute als morgen mit der Videoberatung auseinander setzen, um den Anschluss in Sachen digitale Transparenz und Effizienz nicht zu verpassen. Es ist davon auszugehen, dass andere Branchen nachziehen werden.
■ Dennis Cosfeld-Wegener