1/2015 Nachfolgemanagement

Ein notwendiger Prozess in mittelständischen Unternehmen

In Zeiten des demografischen Wandels und damit einhergehend einem „War for Talents“ ist die systematische Sicherung von qualifiziertem (Führungs-) Nachwuchs eine notwendige Voraussetzung für Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade bei mittelständischen Unternehmen kann eine nicht rechtzeitige Nachbesetzung oder eine Nachbesetzung mit ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten die Existenz gefährden. Um trotz des Fachkräftemangels sowohl planbare als auch plötzliche Vakanzen optimal besetzen zu können, benötigen Unternehmen ein systematisches Nachfolgemanagement. Dieses ermöglicht, frühzeitig geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Schlüsselpositionen zu identifizieren, sie auf diese Positionen hin zu entwickeln und anhand eines standardisierten Auswahlverfahrens die geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für die Positionen auszuwählen.

Das Nachfolgemanagement beginnt mit einer Bedarfsplanung, mit der Schlüsselpositionen identifiziert werden. Gemeinhin handelt es sich dabei um jene Positionen, deren Inhaber/innen einen starken Einfluss auf die Umsetzung der Unternehmensstrategie haben. Insgesamt sind die Kriterien für Schüsselpositionen sehr umfassend. Beispielhaft seien hier die Tragweite von Entscheidungen der Stelleninhaberin/des Stelleninhabers und damit verbundene Risiken falscher Entscheidungen sowie die kurzfristige Behinderung des Geschäfts bei Nicht- oder Fehlbesetzung genannt. Wenn diese Positionen herausgefiltert sind, muss ermittelt werden, wann die aktuellen Stelleninhaber/innen altersbedingt oder aufgrund von Fluktuation, soweit schon einschätzbar, das Unternehmen verlassen.

Anschließend wird ein unternehmensspezifisches Kompetenzmodell entwickelt, welches die Grundlage für die Auswahl der Kandidaten (m/w) bildet. Dazu kann anhand von Interviews oder Workshops mit den Führungskräften und Mitarbeitenden des Unternehmens den folgenden Fragen nachgegangen werden:

Was bedeutet Leistung für uns?
Woran machen wir Leistungsträger/innen fest?
Wie definieren wir Potenzial?
Und welche Eigenschaften und Verhaltensweisen
weisen Potenzialträger/innen auf?


Aus den Antworten auf diese Fragen können dann die für das Unternehmen spezifischen Kompetenzen und Potenzialindikatoren abgeleitet werden. Potenzial ist deshalb relevant, weil es bei der Besetzung von Schlüsselpositionen nicht nur um die Kompetenzen geht, die die Kandidatin/der Kandidat in der aktuellen Position gezeigt hat, sondern vor allem darum, ob Potenzial für die neue Position vorhanden ist.

Im nächsten Schritt erfolgt die Bildung eines sog. Talent-Pools, aus dem die Kandidaten für die im ersten Schritt identifizierten Schlüsselpositionen rekrutiert werden. Potentielle Kandidaten werden von ihren Führungskräften für die Aufnahme in den Pool vorgeschlagen. Die Führungskräfte führen dazu auf Basis des Kompetenzmodells eine Leistungsbeurteilung und Potenzialeinschätzung aller Mitarbeitenden durch und melden ihre Kandidaten an die Personalabteilung. Ob diese Kandidaten in den Pool aufgenommen werden, kann in von der Personalabteilung moderierten Talent-Konferenzen mit allen Führungskräften diskutiert werden. So werden mehrere Beurteilende in den Auswahlprozess integriert, wodurch die „Objektivität“ erhöht werden kann. Sollten intern keine geeigneten Kandidaten für die Schlüsselpositionen zur Verfügung stehen, wird extern rekrutiert.

Stehen die Kandidaten fest, werden sie über die Aufnahme in den Talent-Pool informiert und anhand von Personalentwicklungsmaßnahmen für die Zielposition weiterentwickelt. Welche Maßnahmen die richtigen sind, hängt von der Position und den Kompetenzen der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters ab. Es kommen also prinzipiell die bekannten Personalentwicklungsmaßnahmen, wie Trainings, Coaching, Mentoring u.a. infrage.

Nach der Entwicklungsphase ist die richtige Platzierung der Kandidaten ein entscheidendes Moment. Bei einer ausbleibenden oder falschen Platzierung droht bei diesen „High Potentials“ die Gefahr, dass sie das Unternehmen verlassen und sich in einem anderen Unternehmen eine Perspektive suchen.

Zentral ist eine regelmäßig durchzuführende Erfolgskontrolle. Dazu können Kennzahlen wie Nachfolgekandidaten pro Position, Beförderung von Talenten im Vergleich zu „Nicht-Talenten“ und Leistungsbeurteilungen der Talente auf der neuen Position herangezogen werden.

Wie bei großen Projekten üblich, bietet sich auch beim Nachfolgemanagement eine Pilotphase an, um die Machbarkeit der einzelnen Schritte zu überprüfen und ggf. nachzubessern, bevor es im gesamten Unternehmen implementiert wird. Inwiefern ein Nachfolgemanagement in der beschriebenen Form umsetzbar ist und ob es Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitenden findet, hängt stark von der Unternehmenskultur ab. Daher sollten die einzelnen Schritte und Kommunikationswege an die jeweilige Kultur angepasst werden. Je nach Kultur und Unternehmensgröße werden bspw. in Ergänzung zu den oder als Ersatz der Talent Konferenzen Assessment-Center mit den Kandidaten durchgeführt, bevor sie in den Pool aufgenommen werden.

Ein systematisches Nachfolgemanagement folgt also den Schritten Identifikation, Entwicklung und Platzierung von Talenten mit dem Ziel, Schlüsselpositionen optimal zu besetzen. Die Vorteile des Nachfolgemanagements stellen sich nicht nur aufseiten des Unternehmens ein, sondern bieten sich auch für jede/n Mitarbeitende/n. Die Führungskräfte sind durch ein solches Vorgehen dazu angehalten, im Rahmen der Leistungsbeurteilung und Potenzialeinschätzung jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter in den Blick zu nehmen und ihnen Feedback zu ihrer Arbeit zu geben. Die Beurteilung anhand der im Kompetenzmodell definierten Kriterien mindert Aspekte wie Sympathie und den Einfluss von Stereotypen auf die Leistungsbeurteilung. Da die Beurteilung von Leistung sowie die Einschätzung und das Erkennen von Potenzial eine große Herausforderung darstellen, da sie eben durch Sympathie oder stereotype Vorstellungen, oft auch unbewusst, beeinflusst werden, sollten alle Führungskräfte darin geschult werden.
■ Dr. Patricia Heufers

IGU e. V.