4/2014 Konjunkturausblick – Von trüben Aussichten und Aufheiterungen

Ukraine-Krise, ISIS-Terror im Nahen und Mittleren Osten, Abspaltungstendenzen in Europa und Konjunkturflaute. Die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen beeinflussen das Wirtschaftswachstum in Deutschland nachhaltig. Was kommt auf uns zu? An welchen Stellschrauben muss die Politik drehen, damit die Situation stabil bleibt und aus der Flaute keine Rezession wird?
Von den internationalen Krisen bleibt auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland nicht verschont. Die aktuelle Wirtschaftsprognose wirft leichte Schatten voraus: So wurde das Wachstum für dieses Jahr auf 1,2 Prozent korrigiert. Für das nächste Jahr wird ebenfalls ein geringer Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,5 Prozent erwartet. Vor diesem Hintergrund ist es die Aufgabe der Politik die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht weiter belastet wird und auch weiterhin im internationalen Wettbewerb bestehen kann.
Bei allen Forderungen und Wünschen von Entlastungen und Investitionen gilt es, den finanziellen Spielraum, der der Bundesregierung in der Aufstellung des Haushalts zur Verfügung steht, effizient zu nutzen und einzusetzen, ohne dabei neue Schulden zu machen. Das Ziel der „schwarzen Null“ hat oberste Priorität. Warum? Weil Deutschland Stabilitätsanker in Europa bleiben soll. Die Politik hält damit nicht nur Wort, sondern schafft damit darüber hinaus Vertrauen und Verlässlichkeit, die insbesondere auch für ausländische Investoren eine Rolle spielen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob sie in den Standort Deutschland investieren sollen.
Investitionsfreundliche wirtschaftspolitische Weichenstellungen
Die Arbeitsmarktlage ist in Deutschland positiv und entwickelt sich besser als erwartet. Trotz der jüngsten Konjunkturschwäche sank die Zahl der Arbeitslosen im Oktober um 75.000 auf 2,37 Millionen Euro. Damit ist sie unerwartet deutlich auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahren gesunken und liegt jetzt bei 6,3 Prozent. Die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten spiegeln sich hier noch nicht wider. Dank der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt, der guten Lohnentwicklung, der geringen Inflationsrate und den niedrigen Zinsen steigen die Konsumausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Konsum trägt wesentlich zum moderaten Wachstum bei und ist damit eine Stütze der deutschen Wirtschaft.Deutschland ist im Export weltweit eines der führenden Länder. Der Außenhandel wächst dieses Jahr um 3,5 Prozent und wird im nächsten Jahr auch bis zu 5 Prozent anwachsen. Fast jeder zweite Euro wird durch den Export verdient und etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze ist damit direkt oder indirekt mit dem Export verbunden. Aber nicht jeder europäische Mitgliedstaat kann sich über ausreichend Exporte oder stabile oder gar wachsende Beschäftigung freuen. Die Situation in vielen Mitgliedstaaten wird durch Stagnation aufgrund von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und wachsenden Staatsschulden geprägt. Deshalb gibt es in Brüssel bereits die Überlegung, ein 300 Milliarden schweres Konjunkturprogramm auf die Beine zu stellen. Ich rate aber ganz dringend davon ab, neue Schulden zu machen, um Wachstum zu generieren – Schulden von heute sind Steuern von morgen. Das können wir auch anders schaffen. Mein Blick richtet sich zum Beispiel auf die sich in den Beratungen befindlichen Handelsabkommen zwischen Europa und Kanada (CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement) sowie mit den Vereinigten Staaten (TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership).
Europäische Bankenunion: Verlässlicher Wirtschaftspolitischer Rahmen
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008 mussten ad hoc umfassende Rettungsfonds geschnürt werden, um den Zusammenbruch des Finanzmarktes abzuwenden, dessen Folgen – insbesondere auch für unseren Wirtschaftsstandort – kaum kalkulierbar waren. Allerdings mussten hierfür noch die Steuerzahler einspringen, da es zu diesem Zeitpunkt kein geregeltes Instrument zur Bankenabwicklung gab. Damit sich das nicht wiederholt und die Banken ihren eigenen Beitrag zur Rettung leisten, wird die Bankenunion geschaffen. In Deutschland werden zukünftig 21 Institute, sogenannte systemrelevante Banken, von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt. Mit dem im Oktober veröffentlichten Bankenstresstest wurde sichergestellt, dass die Banken mit ausreichender Kapitalausstattung in die Bankenunion gehen. Dieses Gesetzespaket, das klare Haftungsregeln zum Schutz der Steuerzahler beinhaltet, zielt auch auf eine Normalisierung der Geldpolitik ab. Das ist überfällig, denn wachstumsfördernde Investitionen setzen das Vertrauen von Investoren in unseren Wirtschaftsraum aus.
Die gegenwärtige Investitionsschwäche hat mehrere Ursachen: hohe Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Globalisierung anstrengend ist. Die Bundesregierung ist sich im Klaren darüber, dass unsere Wirtschaft darauf angewiesen ist, auf dem internationalen Markt zu bestehen. Trotzdem können wir hier nicht unseren Status Quo zugunsten der Globalisierung und zu Lasten unserer Gesellschaft absenken. Hier zählt es zu den Aufgaben der Politik, die wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen so zu stellen, dass wirtschaftliche Interessen und soziale Absicherung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Unser einziger Rohstoff sind unsere gut ausgebildeten Köpfe. Deshalb wurde in den letzten Jahren auch intensiv in den Bereich Bildung und auch Forschung investiert: Seit Amtsantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2005 wurden die Investitionen in diesen Bereich in Höhe von 15,3 Milliarden Euro fast verdoppelt.
Deutschland stand und steht noch immer für hohe Qualitätsprodukte; unsere Ingenieurskunst wie auch unsere duale Berufsausbildung sind weltweit hoch angesehen. Wir sind als Industrienation darüber hinaus Vorreiter und Vorbild in Sachen Energieeffizienz, Nutzung von Erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus der Kernenergie. Von diesem Wissen und unserer Erfahrung können andere Länder profitieren. Nichts ist umsonst. Aber das ist mein Verständnis und mein Bild der sozialen Marktwirtschaft, an dem wir auch in Zukunft festhalten müssen. Sie ist der Garant für unseren Wohlstand und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)

IGU e. V.