1/2013 Altersarmut ist weiblich

Wenn es im Bundestag zu einer so genannten „Aussprache“ kommt, dann kann man sich sicher sein, dass es um wichtige Inhalte geht. So geschehen im Dezember 2012 zum Thema „Altersarmut von Frauen in Deutschland“. Und in der Tat: Die Debatte barg Sprengstoff.

Die Fakten:

Wie aus der Antwort der Bundesregierung in dieser Aussprache hervorgeht, haben männliche Rentner 2011 im Schnitt exakt 1.000 Euro Rente bekommen: Die Ostdeutschen 1.058 Euro, die Westdeutschen 987 Euro. Die Durchschnittsrente der Frauen belief sich hingegen nur auf 541 Euro, davon 711 Euro für ostdeutsche Frauen und nur 495 Euro für westdeutsche. Der Grund für die bestehenden Ost-/Westdifferenzen liegt in unterschiedlichen Gruppenzusammensetzungen, z. B. mehr Angestellte und weniger Beamte bei den Männern und deutlich längere Erwerbsbiografien bei den Frauen in den neuen Bundesländern: Fast alle Frauen in der DDR waren in Vollzeit erwerbstätig. Seit der Wiedervereinigung ist die Frauenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland jedoch stark angestiegen. Deshalb wird die Altersarmut von Rentnerinnen vermutlich bald das niedrige West-Niveau erreicht haben. Zudem haben ostdeutsche Frauen ein noch niedrigeres Durchschnittseinkommen als westdeutsche Frauen.

Nur 520 Euro Durchschnittsrente

Viel eklatanter als die Differenzen zwischen West und Ost sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Und: Sind diese Bestandszahlen schon alarmierend, wird es bei den Neuzugängen noch deutlicher: Neurentner im Jahr 2011 erhalten im Schnitt 868 Euro, Neurentnerinnen gerade mal 520 Euro.

Fast ein Viertel der Neurentnerinnen haben in 2011 eine Rente von unter 250 Euro bezogen, das sind etwa 3,36 Millionen Frauen.

Die Hälfte aller Renten an Frauen mit verminderter Erwerbsfähigkeit lag 2011 unterhalb des Durchschnitts der Grundsicherung von 686 Euro. Wie die Regierung berichtete, lag diese Zahl 2003 noch bei etwa einem Viertel. Und auch bei der Altersrente ist der Anteil der Frauen deutlich gestiegen, die unter der Armutsgrenze liegen: Mittlerweile sind schon 2 von 3 Frauen davon betroffen.
Eine erschreckende Armutstendenz, deren Umkehr nicht in Sicht ist. Kein Wunder, dass die Medien immer öfter über dieses brisante Thema berichten.

Doch worin liegen die Ursachen?

Die Gründe liegen in den geschlechtsspezifischen Erwerbs- und Einkommenssituationen: Frauen arbeiten häufig in prekären Beschäftigungsformen und haben geringere Verdienste als Männer. Sie haben kürzere Rentenbeitragszeiten, weil sie ihre Berufstätigkeit aus familiären Gründen unterbrechen. Vor allem in den Jahren, wenn die Kinder klein sind und intensive Zuwendung brauchen oder wenn nahe Angehörige Pflege brauchen, sind es nach wie vor in erster Linie Frauen, die eine Berufspause einlegen.

Frauen in der Niedriglohnfalle

Frauen sind im Niedriglohnbereich deutlich überrepräsentiert. Zwei Drittel aller Niedriglohn-Verdiener war 2007 weiblich. Wer heute aber Niedriglohn bekommt, der bekommt morgen auch weniger Rente. Auch in Mini-Jobs sind deutlich mehr Frauen zu finden: Von den 7,4 Mio. Menschen in einem Job auf 400-Euro-Basis (seit Anfang 2013 sind es 450 Euro) waren Mitte 2011 etwa 4,65 Mio. weiblich. Das sind fast 70 Prozent. Und gut zwei Drittel dieser Frauen haben ausschließlich diesen Mini-Job, bei dem nur ein sehr geringer Beitrag in die Rentenkasse eingezahlt wird.
Pro Jahr Mini-Job erwirbt die Beschäftigte gerade mal 3,11 Euro Rentenanspruch.

Wo liegt die Lösung?

Die Alterssicherung der Frauen ist nach wie vor in hohem Maße vom Einkommen ihrer Ehemänner abhängig. Häufig erreichen die meisten Frauen erst durch die Kombination ihrer eigenen sehr niedrigen Rente und einer Hinterbliebenenrente ein ausreichendes Einkommen. In Zeiten, in denen später und seltener geheiratet und jede zweite Ehe geschieden wird, ist Altersarmut also vorprogrammiert. Eine langfristige Lösung kann darin bestehen, Entgeltgerechtigkeit zwischen Mann und Frau herzustellen, den Niedriglohnsektor einzugrenzen, Frauen aus der Niedriglohnfalle zu befreien und es für selbstverständlich zu betrachten, dass sowohl Männer wie Frauen gleichermaßen ihre Erwerbsbiografien für die Familie unterbrechen. Bis dahin müssen konsequent alle Möglichkeiten der privaten Vorsorge ausgeschöpft werden, um der Altersarmut zu begegnen. Gerade die staatlich geförderte Riester-Rente bietet für Frauen durch die Kinderzulagen oft gute Möglichkeiten, die spätere Rente auch mit kleinen Beiträgen zu erhöhen. Doch in der Regel reicht allein die Riester-Rente nicht: Zusätzliche private Vorsorge wird für alle Berufstätigen, für Männer wie Frauen, immer mehr zur Pflicht. Dies bedeutet Verzicht, denn Sparen ist zunächst immer Konsumverzicht. Die Frage ist nur, wann und wie verzichtet werden muss. Entweder in jungen Jahren moderat, geplant und zielgerichtet. Oder später als Rentner zwangsweise und in drastischer Höhe.
Hans-Peter Süßmuth

IGU e. V.