4/2012 Energiewende – Herausforderung und Chance für den Mittelstand

Die Energiewende ist in vollem Gange und vor allem wegen steigender Preise wieder in aller Munde. Nicht nur Verbraucher, sondern insbesondere viele kleine und mittelständische Unternehmen fürchten wegen steigender Stromkosten um ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Zukunft am Produktionsstandort Deutschland. Doch wie reagiert die Politik und wie kann es gelingen, den Umbau der Energieerzeugung auch für den Mittelstand zu einer dauerhaften Erfolgsgeschichte werden zu lassen?
Die Umsetzung der Energiewende ist eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung und nicht weniger als eine Herkulesaufgabe. Der Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See, der Leitungsneubau und -ausbau, der Einsatz intelligenter Netze und Stromzähler oder die Erforschung und Entwicklung von notwendigen Speichertechnologien, um die fluktuierende Energieeinspeisung dauerhaft verfügbar zu machen – es gibt viele Baustellen, um die Energieinfrastruktur in Deutschland für die Erneuerbaren fit zu machen.

Erneuerbare Energien: Umweltfreundlich, versorgungssicher und bezahlbar?

Bei der Umstellung der Energieerzeugung auf die erneuerbaren Energien ist neben der Sicherstellung der Versorgungssicherheit vor allem die Bezahlbarkeit von entscheidender Bedeutung. So ist gerade der Preis, zu der Energie bereitgestellt werden kann, in Zeiten der Globalisierung mit immer enger konkurrierenden Märkten ein zentrales Kriterium für das wirtschaftliche Handeln der einzelnen Unternehmen. Gleichzeitig werden Stromkosten wegen der fortschreitenden Technisierung der Produktion immer wichtiger für Standortentscheidungen. Deutschland kann dabei seinen Unternehmen viele Standortvorteile bieten: Eine funktionierende marktwirtschaftliche Grundordnung mit hoher Rechtssicherheit, eine stabile Energie- und Rohstoffversorgung, einen starken Wissenschaftsstandort, eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur und nicht zuletzt qualifizierte Arbeitnehmer sowie leistungsfähige Zulieferer. Aber speziell im Bezug auf die Energie- und Stromkosten rangiert Deutschland unter den Industrienationen international auf einem negativen Spitzenplatz – und das nicht nur bei den Industrie-, sondern auch bei den Haushaltsstrompreisen.

Da kann es weder Verbraucher noch Wirtschaft beruhigen, dass einst versprochen wurde, dass die EEG-Umlage für einen Durchschnittshaushalt monatlich nicht teurer als eine Kugel Eis sein würde. Denn spätestens mit der Erhöhung der EEG-Umlage für 2013 um 47 Prozent auf 5,277 ct/kWh sollte jedem bewusst geworden sein, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif geben kann.

Entlastung von stromintensiven Unternehmen – auch der Mittelstand profitiert

Die Politik hat erkannt, dass die mit der EEG-Umlage verbundenen Strompreissteigerungen nicht ohne Weiteres an die stromintensiven Unternehmen weitergegeben werden können ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen und damit viele Arbeitsplätze in Deutschland zu gefährden. Deshalb wurde die sogenannte „Besondere Ausgleichsregelung“ (§ 40 ff.) ins Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt, um diese Benachteiligung zu reduzieren.

Im EEG 2012 wurden bei diesen Regelungen Anpassungen vorgenommen und der Kreis der Begünstigten erweitert, weil sich mit steigender EEG-Umlage zunehmend wettbewerbsverzerrende Wirkungen zwischen großen und kleineren Betrieben zeigten. Durch die Absenkung des unteren Schwellenwerts von 10 auf 1 Gigawattstunden (GWh) sollen jetzt insbesondere auch energieintensive Mittelständler profitieren:

Bis zu einem Stromverbrauch von 10 GWh wird lediglich ein Anteil von 10 Prozent der EEG-Umlage fällig. Außerdem wurde der Anteil der vom Unternehmen zu tragenden Stromkosten an der Bruttowertschöpfung, der als Befreiungsvoraussetzung für die Anwendung der EEGAusgleichsregelung erfüllt werden muss, von 15 auf 14 Prozent gesenkt sowie die von den Begünstigten zu zahlende Umlage reduziert. Neu war allerdings auch die Begrenzung der Ausgleichsregelung auf das produzierende Gewerbe. Die Wirksamkeit dieser Veränderungen für den Mittelstand wird aktuell von der Bundesregierung überprüft.

„Mittelstandsinitiative Energiewende“ – Umbau der Energieversorgung als Chance

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten stehen Investitionen in hocheffiziente Anlagen und Kraftwerke, intelligente Netze, Speicher und Energieeffizienztechnologien in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr an, um den Ausstieg aus der Kernenergie und den Umstieg in die Erneuerbaren auch tatsächlich Realität werden zu lassen. Dabei sind gerade mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Handwerk wichtige Partner für die Transformation unseres Energiesystems. In vielen Bereichen sind sie bereits Vorreiter und Treiber dieser Entwicklung: Sie liefern sowohl das Know-how, aber auch die nötige Manpower – ob bei der Planung und Beratung, der Fertigung, der Montage oder der Wartung der Energieanlagen und -komponenten.

Um dieses Potenzial umfassend zu nutzen und weiter auszubauen sowie die Unternehmen vor allem im Bereich der Anwendung von Energieeffizienztechnologien zu unterstützen, hat das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) die „Mittelstandsinitiative Energiewende“ ins Leben gerufen. Mit insgesamt 75 Mio. Euro können ab dem 1. Januar 2013 beispielsweise Energieberatungen, Modernisierungen von Anlagen und Weiterbildungen von Mitarbeitern gefördert werden. Hiervon sollen im Besonderen Unternehmen profitieren, die keine Sonderregelungen in Anspruch nehmen können. Gleichzeitig eröffnet die Initiative neue Märkte und Geschäftsfelder im Bereich der Energieeffizienztechnologien und -dienstleistungen, aus denen wiederum vorwiegend Mittelständler ihre Vorteile ziehen können.

Energiewende mit und für den Mittelstand gestalten

Die Energiewende ist eines der größten Infrastruktur- und Investitionsprojekte in der Geschichte Deutschlands. Genau hier liegen die großen Potenziale und Chancen für viele mittelständische Unternehmen: Sie sind in der Lage sich flexibel, kreativ und schnell dem neuen Markt anzupassen, den der Aufbruch ins Zeitalter der neuen Energien mit sich bringt. Schon heute ist der Ausbau der erneuerbaren Energien eines der größten Mittelstandsprogramme in unserem Land – viele der fast 400.000 Beschäftigen im Bereich der Erneuerbaren arbeiten bereits für ein mittelständisches Unternehmen.

Damit aber der Mittelstand an diesen Erfolg auch in anderen Branchen anknüpfen kann, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Stromkosten auf ein vertretbares Maß begrenzt werden. Dazu ist es notwendig, dass die erneuerbaren Energien in einem vernünftigen Tempo ausgebaut werden. Denn eines muss klar sein: Je schneller die Energiewende vollzogen wird, umso teurer wird sie. So sind es oftmals mittelständische Unternehmen, die sich bereits heute um steigende Energiepreise sorgen und sich ernsthaft Gedanken darum machen, ob sie zumindest Teile ihrer Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.

Vor diesem Hintergrund bedürfen die gesetzlichen Regelungen einer ständigen Evaluierung und Anpassung, um die Energiewende zu einem dauerhaften Erfolgsmodell zu machen. Daran müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam arbeiten.

Franz-Josef Holzenkamp
(MdB)

IGU e. V.