Mittelständler müssen sich anstrengen, geeigneten Nachwuchs zu finden.
Auszubildender, Auszubildende, Lehrling, Stift: Diese sicher nicht vollständige Aufzählung der heute üblichen oder in der Vergangenheit gebrauchten Bezeichnungen für junge Menschen, die ihre Berufsausbildung beginnen, spiegelt, wie sich die Wertschätzung gegenüber Berufsanfängern gewandelt hat.
Aber worum geht es im Kern?
Die Volkswirtschaft, insbesondere jedes mittelständische Unternehmen, steht vor dem Problem, dass in zunehmendem Maße die für die weitere wirtschaftliche Entwicklung notwendigen qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr am Arbeitsmarkt gewonnen werden können. Begrifflichkeiten wie demografischer Wandel, Lehrstellenmangel, Verdrängungswettbewerb von Abiturienten zu Real- und Hauptschülern, doppelte Abschlussjahrgänge an Gymnasien oder Qualifikationsmängel der Absolventen spielen zudem eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildung.
Schon bei der Suche nach Auszubildenden fängt alles an. Vor allem in den Berufen, die stärker handwerklich orientiert sind, wird es immer schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden. Während der Mangel in den handwerklichen Berufen mittlerweile eklatant ist, haben ausbildende Betriebe in Berufen, die ganz allgemein gesagt „Büroarbeit“ beinhalten, noch keine konkreten Probleme. Geradezu beunruhigend ist die Situation jedoch, wirft man einen Blick auf die Statistiken der mittel- bis langfristigen Zukunft. Danach wird sich die Anzahl der für eine Berufsausbildung infrage kommenden und interessierten Kandidaten in allen Bereichen wohl bis zum Jahr 2025 fast halbieren.
Was heißt das für den Mittelständler?
Die Vorzeichen haben sich umgekehrt. Nicht die Bewerber, sondern die Betriebe und Unternehmen müssen sich mehr und mehr als attraktiver Partner vorstellen. Handwerksbetriebe müssen sich frühzeitig darauf einstellen, neue Wege zu gehen, wenn sie zukünftig Berufsanfänger für ihre betrieblichen Aufgabenstellungen ausbilden möchten. Um den geeigneten Bewerber oder die geeignete Bewerberin zu gewinnen, ist es wichtig, aus den verschiedenen Anwerbemöglichkeiten die für den eigenen Betrieb adäquate zu nutzen. Vier Schwerpunkte gilt es dabei zu beachten:
Beziehungen im persönlichen, betrieblichen, örtlichen und eventuell auch regionalen Umfeld gilt es besonders ins Auge zu fassen. Über Kontakte zu Mitarbeitern, Kollegen, Vorgesetzten oder auch Kunden werden häufig erste Gespräche ermöglicht. Auch der Weg „Auszubildende werben Auszubildende“ kann zum erhofften Erfolg führen. Die Präsentation in den regionalen und lokalen Zeitungen oder den entsprechenden Rundfunksendern bietet gute Chancen, sich als ausbildender Betrieb bekannt zu machen. Auch über das Schwarze Brett in Schulen oder den überbetrieblichen Ausbildungsstätten der Handwerkskammern können Kontakte vermittelt oder aufgenommen werden.
Als drittes Maßnahmenpaket sind ausdrücklich Projekte gemeinsam mit Schulen, Betriebspraktika für Schüler und Lehrer sowie das Modell einer „Schnupperlehre“ zu empfehlen. Hierbei gibt man den Kandidaten und Kandidatinnen die Möglichkeit zu realen Bedingungen im Betrieb (kein Praktikum!) mit berufserfahrenen Angestellten zusammen zu arbeiten.
In einer vierten Variante ist im Betrieb zu prüfen, ob es individuelle Ausbildungsangebote für verschiedene Absolventengruppen gibt. Dies kann über ein Anlernjahr als Vorbereitung auf die Berufsausbildung und mit individuellen Angeboten für leistungsstärkere und leistungsschwächere Jugendliche durchaus auch zum Erfolg führen.
Abschließend ist es außerordentlich wichtig, dass sich der Unternehmer als Verantwortlicher für die Nachwuchsgewinnung vorab alle allgemeinen Informationen zum Betrieb zusammengestellt hat und die Beschreibung des Ausbildungsberufs im Unternehmen vollständig und informativ gestaltet wurde. Abschließend muss die Informationsweitergabe über eine Netzwerkmöglichkeit sichergestellt sein.
Eine Idee bleibt noch zum Schluss, die sich in anderen Zusammenhängen beispielsweise als Freundschaftswerbung bewährt hat: Der Versuch, im persönlichen Umfeld die Bereitschaft zur Vermittlung von geeigneten Ausbildungsbewerbern durch das Ausloben einer „Kopfprämie“ in Form eines Euro-Betrags oder einer Sachprämie zu steigern. In jedem Fall wird die gelungene Mischung der verschiedenen Maßnahmen auch in einem schwierigen Umfeld die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, geeignete Auszubildende zu gewinnen.
■ Rüdiger Keller