2/2012 Der Ehrbare Kaufmann – Modernes Unternehmertum in Zeiten der Globalisierung und der internationalen Krisen

Gestern wie heute ist das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns die Grundlage für das gesellschaftlich verantwortliche Verhalten von Unternehmern und Managern. Vor dem Hintergrund der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise rückt das verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Doch welchen Herausforderungen steht der Ehrbare Kaufmann heute gegenüber und wie genau sieht das Leitbild heute aus?
Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns basiert auf jahrhundertealten Grundideen: der Freiheit und der Eigenverantwortung jedes Menschen, dem fairen Wettbewerb und dem sozialen Ausgleich. Weiterentwickelt verbindet dieses Leitbild für das moderne Unternehmertum Verantwortungsbewusstsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt, die auf einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg abzielen, ohne den Interessen der Gesellschaft entgegenzustehen. Das Leitbild verknüpft also unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit ehrbarem Verhalten. Denn nur verantwortungsvolles Handeln kann die Grundlage für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Frieden in der Gesellschaft sein.

Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns ist insbesondere in mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetrieben mehr denn je verankert und manifestiert sich in folgenden Tugenden:

① Der Ehrbare Kaufmann bekennt sich zur sozialen Marktwirtschaft.

Mit Beginn der internationalen Wirtschaft- und Finanzkrise im Jahr 2009 und angesichts der aktuellen Eurokrise haben viele Menschen das Vertrauen in die Marktwirtschaft verloren. Für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist die soziale Marktwirtschaft aber unentbehrlich. Denn ohne Unternehmen gibt es keine Marktwirtschaft und ohne Marktwirtschaft keinen Wohlstand. Eine gesunde Wirtschaft ist das Fundament unseres Staates. Die Marktwirtschaft bildet nicht nur die Basis für Wachstum und Beschäftigung, sondern auch die Voraussetzung für den sozialen Ausgleich.
Neben der Bewältigung der internationalen Wirtschaftskrise stellt der demografische Wandel unsere Wirtschaft und unseren Sozialstaat, die Grundfesten der sozialen Marktwirtschaft, vor eine der größten Herausforderungen. Auf der einen Seite werden wir immer älter, das ist auch gut so. Auf der anderen Seite stellen uns die Folgen der niedrigen Geburtenraten vor neue Aufgaben: Die Belastungen für die Sozialversicherungen, insbesondere die der Renten- und gesetzlichen Krankenversicherung, werden steigen. Die Wirtschaft wächst, aber die Zahlen der offenen Stellen, die sogenannte Fachkräftelücke, steigt in diesem Jahr bereits auf 2,3 Millionen.

Zur Sicherung des Wohlstands und damit der Sozialsysteme setzt der Staat entsprechende  Rahmenbedingungen, die nur im Zusammenspiel mit der Wirtschaft erfolgreich sein können. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass unsere Sozialsysteme zukunftsfest sind und bereits vorhandenes Fachkräftepersonal im Inland aktiviert wird. Erste Schritte sind getan: Das  Renteneintrittsalter wurde stufenweise auf 67 Jahre erhöht. Die Effizienz der Eingliederungsmaßnahmen der arbeitsmarkt-politischen Instrumente wurde gezielt gestärkt, um arbeitslose Jugendliche, Alleinerziehende und ältere Arbeitnehmer in Arbeit zu bringen. Der Zuzug ausländischer Fachkräfte wurde durch Verbesserungen für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen erleichtert. Und gegenwärtig werden die Pläne für einen erleichterten Zuzug hochqualifizierter Ausländer (Blaue Karte EU) diskutiert.

Neben den staatlichen Rahmenbedingungen ist Tarifautonomie eine tragende Säule unserer Sozialen Marktwirtschaft. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften handeln die Tarifverträge und Löhne aus. Die Tarifautonomie entspricht der Eigenverantwortung als Grundsatz unserer Wirtschaftsordnung. Deshalb wird es mit einer christdemokratisch geführten Bundesregierung keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn geben. Aber dort, wo es keine Tarifverträge gibt, den so genannten weißen Flecken, wird gerade der Vorschlag einer allgemeinverbindlichen Lohnuntergrenze diskutiert. Die Höhe soll eine Kommission aus Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern festlegen.

② Der Ehrbare Kaufmann strebt nach langfristigem und nachhaltigem Unternehmenserfolg.

Die Globalisierung, das heißt freier Wettbewerb und offener Marktzugang, erhöht den Konkurrenzdruck der Unternehmen aus der ganzen Welt. Sie können zum Beispiel ihre Standorte jederzeit ins Ausland verlagern, wo die Produktionskosten günstiger sind.
Neben Quartalsabschlüssen oder Aktienkursen verfolgt jeder Unternehmer aber längerfristige Ziele. Der Erfolg eines Unternehmens hängt nicht zuletzt mit der Loyalität und der Motivation seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem steigenden Bewusstsein der Kunden und Investoren für die Einhaltung ethischer Grundsätze zusammen. Ein Unternehmen sollte eine Strategie verfolgen, die auf allgemein akzeptierten Prinzipien und Werten des nachhaltigen Wirtschaftens beruht und deren Ziele auch in der Praxis sozialen und ökologischen Grundsätzen entsprechen.

③ Der Ehrbare Kaufmann übernimmt Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft.

Der Ruf nach mehr Ehrbarkeit und Verantwortung in der Wirtschaft ist im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise immer lauter geworden. Jedes Unternehmen hat durch seine Geschäftstätigkeit Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf Kunden, die Umwelt und das wirtschaftliche Umfeld. Und die Frage nach der Verantwortung, die daraus resultiert, ist heute ein wichtiger Aspekt der modernen Unternehmenspolitik. Dabei handelt es sich zum Beispiel um flexible Arbeitsplatzmodelle, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern.

Das vor kurzem vorgelegte Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute zeigt, dass sich Deutschland auf einem guten Weg befindet. Deutschland wird auch dieses Jahr wieder der Wachstumsmotor in Europa sein. Und das ist nicht zuletzt ein Verdienst des im deutschen Unternehmertum verankerten Leitbilds des Ehrbaren Kaufmanns. Der Ehrbare Kaufmann, der Verantwortung für sich und die Gesellschaft übernimmt, investiert nicht nur in die Rahmenbedingungen seines eigenen Erfolges, sondern leistet seinen Beitrag, um den großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen: dem demografischen Wandel, dem Wohlstand und dem sozialen Zusammenhalt oder dem Klimawandel. Dennoch ist diese Bewährungsprobe nur gemeinsam und mit allen gesellschaftlichen Akteuren zu bewältigen.
Franz-Josef Holzenkamp
(MdB)

IGU e. V.