2/2012 Diplom, Master, Bachelor – wie passt das alles noch?

Vom Diplom- zum Master-Studiengang

Ein Unternehmer, der heute einen Absolventen einer Hochschule einstellen möchte, steht mehr denn je vor der Herausforderung, die Qualifikation von Hochschulabsolventen richtig einzuschätzen. Wo früher das Diplom in Ingenieurwesen als eine Art Gütesiegel über der Abschlussurkunde prangte und  man sich in Verbindung mit einer entsprechenden Note auf eine fundierte akademische Ausbildung verließ, stehen heute die Titel Bachelor oder Master of Science. Aber auch wenn diese Titel zunächst weniger aussagekräftig wirken, haben alle doch ihren Wert.

Was hat sich verändert?

Zukünftig wird zum Beispiel das Diplom in Ingenieurwesen oder Wirtschaftswissenschaften verschwinden. Denn die im Jahr 1999 europaweit gestartete Reform des Hochschulsystems, auch bekannt als Bologna-Prozess, gilt in Deutschland als weitestgehend umgesetzt. Das  Bildungsministerium für Forschung und Bildung gibt in seinem aktuellen Bericht zur Umsetzung des  Bologna-Prozesses an, dass zum Wintersemester 2010/2011 rund 85 Prozent aller Studiengänge (13.000 von 15.300 Studiengängen) auf die zweistufige Bachelor- und Masterstudienstruktur  umgestellt worden sind. Dabei haben vor allem die Fachhochschulen den Diplomstudiengang auf das neue System umgestellt. Es ist anzunehmen, dass in naher Zukunft auch in anderen Studiengängen  die Umstellung erfolgen wird.

Mehr Flexibilität durch neue Abschlüsse angestrebt

Für Unternehmen stellen die neuen Abschlüsse einen nicht zu unterschätzenden Wandel im Umgang mit Studienschwerpunkten dar. Laut Kultusministerkonferenz gilt der Bachelor als vollwertiger Regelabschluss eines Hochschulstudiums und qualifiziert für den Berufseinstieg. Nach dem Bachelor kann ein Studiengang mit Masterabschluss entweder ergänzend oder nicht ergänzend erfolgen. D.h. anders als das Diplom bietet das zweistufige System mehr Flexibilität und überlässt dem Bachelor- Absolventen die Entscheidung, ob er sein Studium fachlich vertieft oder übergreifend in einem anderen Fach erweitert. Der Bachelorabschluss verleiht im Übrigen dieselben Rechte wie der Diplomabschluss einer Fachhochschule; und der ergänzende Master verleiht dieselben  Berechtigungen wie ein Diplom- oder Magisterabschluss einer Universität.

In den letzten Jahren wurde zunehmend Kritik an der Umsetzung der erklärten Ziele des Bologna-Prozesses geübt. Ob die angestrebte Steigerung der Qualität und Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse über Landesgrenzen hinaus gefördert wurde und ob damit auch die Mobilität und Flexibilität der Studierenden und die Beschäftigungschancen durch die Reform gesteigert wurden, ist fragwürdig. Denn insbesondere Bachelor-Studenten kritisieren zum einen die Belastung, die durch die Regelstudienzeit und Überfrachtung an Inhalten und Prüfungen forciert wird, zum anderen einen Rückgang an Mobilität und Flexibilität durch eine niedrige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen und zu wenig Studienplätze für Masterstudiengänge. Laut Kultusministerkonferenz wird mit dieser Kritik aktiv umgegangen und entsprechende Weiterentwicklungen der vereinbarten Strukturvorgaben wurden eingeleitet.

Im Ergebnis kann aufgrund der derzeitigen Übergangssituation dem für die Personalbeschaffung Verantwortlichen nur der Rat gegeben werden, sich sehr genau mit den vorgelegten Abschlusszeugnissen vertraut zu machen und sie anhand der o. a. Vorgaben einzuordnen.
■ Rüdiger Keller

IGU e. V.