1/2012 Neue EU-Rechtsprechung bringt Händler und Handwerker in Bedrängnis!

Neue Fliesen im Bad? Ein neuer Parkettboden? Egal ob das Material im Fachhandel gekauft und selbst verlegt oder ein Handwerker mit der Beschaffung und den Verlegearbeiten beauftragt wurde: Ist das Material nicht fehlerfrei, dann sind Enttäuschung und Ärger groß! Meist kann in so einem Fall die mangelhafte Ware reklamiert werden. Was aber, wenn für den Aus- und Einbau der reklamierten Baustoffe Kosten anfallen? In der Vergangenheit wäre ein Kunde regelmäßig auf diesen Kosten sitzen geblieben. Nach der neusten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnte sich dies zukünftig ändern. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) steht zu dieser Frage noch aus.

Ganz aktuell fällte nämlich der EuGH in einer höchstrichterlichen Entscheidung ein Urteil, das den Verbraucherschutz zugunsten der privaten Endverbraucher noch weiter ausbaut. Laut Urteil muss ein Händler oder Handwerker im Falle einer Reklamation dem Endverbraucher nicht nur die mangelhafte Ware umtauschen bzw. den Kaufpreis erstatten. Er muss vielmehr auch die Kosten der Nacherfüllung übernehmen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Stoffe und den Einbau mangelfreien Materials.

Hat der Händler oder Handwerker den Mangel der Sache (etwa durch unsachgemäße Lagerung) verschuldet, ist auch für Nichtjuristen ohne Probleme nachvollziehbar, dass er in einem Reklamationsfall möglicherweise auch für Folgekosten in Anspruch genommen werden kann. Dies galt auch nach der bisherigen Rechtsprechung so. Neu ist, dass die Betriebe künftig auch ohne eigenes Verschulden für die Erstattung von Aus- und Einbaukosten zur Rechenschaft gezogen werden können.

Nur wenn die Aus- und Einbaukosten in keinem Verhältnis zum Wert der reklamierten Sache(n) stehen, müssen nicht die kompletten Kosten übernommen werden, sondern lediglich ein „angemessener“ Betrag.

Zusammengefasst kann man sagen, dass ein Händler und Handwerker künftig unter Umständen wie ein Hersteller für mangelhafte Produkte haftet. Wie im beschriebenen Fall muss er dann sogar für reine Kosten („Vermögensschäden“) aufkommen, auch wenn kein Personen- oder Sachschaden entstanden ist.

Die klassische Betriebshaftpflichtversicherung deckt diese im Versicherungsjargon auch „reine Vermögensschäden“ bezeichneten Kosten nicht ab!

Handelsunternehmen und Handwerksbetriebe sollten daher ihren Versicherer fragen, ob auch eine Erweiterte Produkt-Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden kann, die diese Kosten mitversichert. Im Schadensfall prüft die Haftpflichtversicherung wie üblich zunächst, ob die Schadenersatzforderungen berechtigt sind oder nicht. Auch für den Fall, dass kein Schadenersatzanspruch besteht, profitiert der Betrieb vom Schutz der Erweiterten Produkt-Haftpflichtversicherung: Der Versicherer bietet in diesem Fall passiven Rechtsschutz und weist die Ansprüche als unbegründet zurück.

Der Fall:

Der Kunde eines Baustoffhändlers hatte dort Bodenfliesen eines italienischen Herstellers gekauft. Diese ließ er durch einen Handwerksbetrieb verlegen. Kurze Zeit später wurden auf der Oberfläche der Fliesen Schattierungen festgestellt: feine, produktionsbedingte Mikroschleifspuren. Der Käufer der Fliesen reklamierte die Fliesen bei dem Baustoffhändler. Zusätzlich zur Lieferung neuer, mangelfreier Fliesen verlangte der Käufer von dem Baustoffhändler für den Ausbaus der Fliesen – zu Recht, entschied der EuGH.
■ Andrea Haeusler

IGU e. V.