Bei dem Begriff Arbeitsunfall denkt man zunächst an die Situation, in der ein Arbeitnehmer bei seiner Arbeit einen Unfall erleidet und sich verletzt. Dies ist der klassische Fall eines Arbeitsunfalls. Die Definition der Gesetzlichen Unfallversicherung geht jedoch noch viel weiter.
Voraussetzung für einen Arbeitsunfall ist demnach, dass sich der Unfall bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit ereignet hat. In erster Linie ist dies die berufliche Tätigkeit, mit der ein Arbeitnehmer sein Gehalt verdient. Aber auch der Weg zur Arbeitsstätte und auch wieder nach Hause ist mitversichert. Unter bestimmten Voraussetzungen fallen hier sogar Umwege unter den Versicherungsschutz. Nicht als Arbeitsunfall gelten hingegen grundsätzlich Unfälle, die sich in der Freizeit ereignen, etwa beim Fußball oder beim Tanzen.
Zudem muss zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Unfall ein innerer Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang fehlt zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz plötzlich und ohne erkennbaren Grund Nasenbluten bekommt.
Zudem muss ein Unfallereignis vorliegen, also ein plötzlich, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Dies fehlt etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, den der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erleidet. Die vorgenannten Abgrenzungen sind wichtig, um im Zweifelsfall entscheiden zu können, ob dem Verunfallten Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung zustehen (gewerbliche oder Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften oder die Unfallkassen des Bundes und der Länder).
Der versicherte Personenkreis beschränkt sich keineswegs nur auf Arbeitnehmer. Auch Schüler, Studenten, Auszubildende, Nothelfer oder Blut- und Organspender können einen versicherten Wege- oder Arbeitsunfall erleiden.
Die Gesetzliche Unfallversicherung wurde eingerichtet, um im Falle eines Arbeitsunfalls nicht „den Schuldigen“ suchen zu müssen. Zudem soll der Arbeitgeber von möglichen Schadenersatzansprüchen freigestellt werden. Insgesamt soll sichergestellt sein, dass der Betriebsfriede möglichst gesichert ist. Der Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung übernimmt darum nicht nur die Heil- und Behandlungskosten, er zahlt zudem Umschulungsmaßnahmen oder Unfallrenten bei Dauerschäden oder Invalidität. Grundsätzlich hat der Verletzte bei einem Arbeitsunfall keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und es werden im Regelfall keine Sachschäden ersetzt (Ausnahmen: beschädigte Kleidung bei einem Nothelfer oder Brillenschäden).
Die Versicherungsbeiträge zur Gesetzlichen Unfallversicherung zahlt der Arbeitgeber. Hierdurch hat er sich quasi von Ansprüchen gegen sich selbst „freigekauft“, denn ihm gegenüber gilt ein sogenanntes Haftungsprivileg: Im Falle eines Arbeitsunfalls kann der verletzte Arbeitnehmer wegen der ausreichenden Absicherung durch die Unfallversicherung grundsätzlich keinen Schadenersatzanspruch mehr gegen den Arbeitgeber geltend machen. Eine Ausnahme ist die vorsätzliche Schädigung durch den Arbeitgeber: In diesem Fall greift die Gesetzliche Unfallversicherung nicht und der Arbeitgeber muss die Ansprüche persönlich begleichen.
In dem Fall, in dem der Arbeitgeber oder ein Arbeitskollege den Arbeitsunfall grob fahrlässig verschuldet hat (etwa, weil er es „auf morgen verschoben“ hat, eine defekte Leiter durch eine neue zu ersetzen), zahlt zunächst die Gesetzliche Unfallversicherung. Diese nimmt jedoch den Arbeitgeber in Regress.
Schutz kann hier eine Betriebshaftpflichtversicherung bieten.
Zu prüfen ist allerdings, ob
– der Regressanspruch der Berufsgenossenschaft bei grober Fahrlässigkeit mitversichert ist und
– die Versicherungssummen ausreichen.
Die LVM Versicherung empfiehlt eine Versicherungssumme in Höhe von 5 Mio. Euro.
Ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld der Gesetzlichen Unfallversicherung ist die Prävention. Durch Vorschriften und Schulungen wird versucht, das Gefahrenpotenzial so gering wie möglich zu halten.
Ältere Arbeitnehmer
Statistisch gesehen erleiden ältere Arbeitnehmer seltener Arbeitsunfälle, als jüngere. Allerdings verletzen sie sich bei einem Arbeitsunfall meist schwerer und genesen langsamer. Zudem ist die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer in das Arbeitsleben nach einem Arbeitsunfall schwieriger. Die meisten tödlichen Arbeitsunfälle ereignen sich in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren (Statistisches Amt der Europäischen Union 2005, Datenbank, Standardisierte Inzidenzrate der Arbeitsunfälle).
Ausrutschen, Stolpern und Stürze sind die häufigsten Unfallursachen bei älteren Arbeitnehmern. Während jüngere Arbeitnehmer häufig Hand- oder Augenverletzungen erleiden, ziehen sich ihre älteren Kollegen häufiger Rückenverletzungen zu. Die Ursachen für Stolpern oder für Stürze können in der nachlassenden Sehkraft und Hörfähigkeit liegen, aber auch in schlechterem Gleichgewichtssinn und längeren Reaktionszeiten. Schließlich kann auch Routine im Arbeitsalltag das Gefahrenbewusstsein senken und so zu einem Arbeitsunfall führen. Dies trifft überdurchschnittlich oft für die Altersgruppe ab 55 Jahren zu.
Mögliche Maßnahmen zum Schutz älterer Arbeitnehmer
Um speziell ältere Arbeitnehmer zu schützen, sind beispielsweise folgende Maßnahmen denkbar:
1. Frühzeitiges Heranführen bereits junger Menschen an einen nachhaltigen Lebens- und Arbeitsstil
2. Einrichten ergonomisch gestalteter Arbeitsplätze zur Erhaltung der Gesundheit und Produktivität der Arbeitnehmer
3. Anpassen der technischen Gegebenheiten an die nachlassenden körperlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter. Denkbar sind hier etwa in einem Fertigungsbetrieb das Einrichten von Produktionsstraßen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten für verschiedene Altersgruppen, Ansagen von Warnhinweisen in ausreichender Lautstärke oder eine größere Schrift auf technischen Anleitungen.
4. Einbeziehen der älteren Arbeitnehmer und ihrer Erfahrungen in Präventions- und Schulungskonzepte.
■ Andrea Haeusler