32 Jahre nach seiner Einführung im Jahr 1977 ist das Recht des Versorgungsausgleichs grundlegend neu geordnet worden. Zum 1. September 2009 tritt nun das neue Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft.
Warum ein neues Versorgungsausgleichsrecht?
Das alte Recht, nach dem heute der Versorgungsausgleich durchgeführt wird, ist auf eine Reihe von verschiedenen Gesetzesbüchern und Regelungen verstreut. Sowohl auf Seiten der Anwender als auch in der Literatur und Rechtsprechung gab es gravierende Kritikpunkte. Insbesondere wurde die Unübersichtlichkeit der gesamten Rechtsmaterie und die Unverständlichkeit vieler Vorschriften bemängelt. Letztendlich konnten nur noch wenige Beteiligte dieses „Expertenrecht“ verstehen.
Darüber hinaus war eine gerechte Teilung der in der Ehe erworbenen Anwartschaften häufig nicht möglich. Um alle Anrechte aus verschiedenen Altersversorgungssystemen vergleichbar zu machen und saldieren zu können, wurde die sogenannte Barwertverordnung herangezogen. Danach wurden alle erworbenen Anrechte über die gesetzliche Rentenversicherung ausgeglichen. Diese Umrechnung führte aber größtenteils zu Wertverzerrungen und Prognosefehlern.
Gerechte Teilhabe an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten durch Teilung im jeweiligen Versorgungssystem
An die Stelle der Saldierung sämtlicher Anrechte und ihres Einmalausgleiches über die gesetzliche Rentenversicherung tritt mit dem neuen Recht der Ausgleich im jeweiligen Versorgungssystem durch den Versorgungsträger der Altersversorgung. Durch die sogenannte interne Teilung im Versorgungssystem wird eine gerechte Teilhabe der Eheleute an allen betroffenen Versorgungen gewährleistet.
Auch im neuen Recht ist grundsätzlich die Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte vorgeschrieben. Jedoch hat zukünftig nicht mehr das Familiengericht die Aufgabe der Berechnung und Teilung von Anrechten, sondern die Versorgungsträger sind dafür zuständig.
Außerdem sollen künftig möglichst alle Anrechte beim Versorgungsausgleich bei der Scheidung geteilt werden, so dass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich, der oftmals erst zum Rentenbeginn durchgeführt wurde, zum Ausnahmefall wird.
Neue Anforderung an die Versorgungsträger
Durch die Vorschrift des Ausgleichs im jeweiligen Versorgungssystem wird zukünftig der Ausgleich durch den jeweiligen Versorgungsträger, bei dem die Versorgung besteht, durchgeführt (interne Teilung). Das heißt, dass zum Beispiel bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung, die auf Pensionszusagen beruhen, die während der Ehezeit erworbenen Anrechte vom Arbeitgeber selbst geteilt werden. Falls der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung über einen externen Träger durchführt, muss dieser die Teilung durchführen. Dann wären zum Beispiel der Lebensversicherer bei einer Direktversicherung oder die Pensionsfondsgesellschaft beim Durchführungsweg Pensionsfonds zuständig.
Bei der privaten Altersversorgung führt grundsätzlich der Versicherer, bei dem der Altersversorgungsvertrag besteht, als Versorgungsträger die Teilung durch. Die durch die Teilung entstehenden Kosten kann der Versorgungsträger von beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte verlangen.
Der betroffene Versorgungsträger führt nach einer Scheidung zwei Versorgungen fort: Zum einen die reduzierte Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten und zum anderen die neue Versorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Tritt später für den ausgleichsberechtigten Ehegatten der Versorgungsfall ein, erhält dieser beispielsweise eine Betriebsrente vom Arbeitgeber des Ex-Ehegatten.
Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erhält bei Verträgen der betrieblichen Altersversorgung darüber hinaus die Stellung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Das heißt, dass die Vorschriften des BetrAVG wie die der Insolvenzsicherung sowie Anpassungsverpflichtungen durch den Arbeitgeber, Fortführung des Vertrages mit eigenen Beiträgen usw. auch für den neuen Versorgungsvertrag des Ex-Ehegatten zutreffen.
In besonders geregelten Fällen kann der Versorgungsträger verlangen, dass das neue Anrecht nicht bei ihm weitergeführt wird. Auch sind Vereinbarungen zwischen dem Versorgungsträger und dem ausgleichsberechtigten Ehegatten möglich, nach denen das Anrecht in einem anderen Versorgungssystem geführt werden soll (externe Teilung). Der Ehegatte kann dann einen anderen Versorgungsträger nennen.
Diese Anrechte fallen in den Versorgungsausgleich
Betroffen sind Anwartschaften auf Versorgungen und laufende Versorgungsleistungen
– der betrieblichen Altersversorgung
– der privaten Altersversorgung
– der gesetzlichen Rentenversicherung und
– von Versorgungen aus anderen Regelsicherungssystemen (zum Beispiel der Beamtenversorgung).
Der Ausgleich umfasst zugesagte Rentenleistungen der Alters- und die Invaliditätsversorgung und – soweit zusätzlich zugesagt – der Hinterbliebenenversorgung. Bei Verträgen der betrieblichen Altersversorgung und Riesterverträgen unterliegen darüber hinaus auch einmalige Kapitalzahlungen dem Ausgleich.
Wann entfällt der Versorgungsausgleich
◗ Ein Versorgungsausgleich findet zukünftig bei einer kurzen Ehezeit von bis zu drei Jahren nicht mehr statt, es sei denn, einer der Ehegatten beantragt ihn. Typischerweise werden in dieser kurzen Ehezeit keine oder nur geringe Versorgungsanrechte von den Eheleuten aufgebaut.
◗ Die Eheleute treffen eine Vereinbarung, nach der sie den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen. Im Vorfeld einer Scheidung kann hierüber jederzeit eine notariell zu beurkundende Vereinbarung getroffen werden, die auch die ehelichen Vermögensverhältnisse mit einbeziehen kann. Während des laufenden Verfahrens kann eine entsprechende Vereinbarung – dann aber mit dem Familiengericht – getroffen werden. Es findet dann ggf. ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich manchmal erst Jahre nach der Scheidung statt.
◗ Wenn Anrechte geringfügige Ausgleichswerte haben, die eine Bagatellgrenze nicht übersteigen, sieht das Familiengericht ebenfalls von einem Ausgleich ab.
Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis
Auf die Versorgungsträger kommt mit dem neuen Recht eine Vielzahl von Anforderungen zu.
Ein Beispiel: Eine GmbH, die ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage erteilt hat, wird Verfahrensbeteiligte am Scheidungsverfahren, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer sich scheiden lassen will. In diesem Beispiel findet ein Versorgungsausgleich während der Scheidung statt. Ein schuldrechtlicher Ausgleich ist nicht vorgesehen.
Zu den Verfahrenspflichten der GmbH gehört insbesondere die Auskunft über den Bestand und die Höhe der Anrechte aus der Versorgung. Sie muss die Höhe der während der Ehe erworbenen Anrechte ermitteln und dem Familiengericht mitteilen. Diese Berechnung muss übersichtlich und für das Gericht nachvollziehbar sein. Außerdem sind die maßgeblichen Regelungen für die Teilung zu erörtern. Es ist eine sogenannte Teilungsordnung zu erstellen, die dann dem Gericht mit der Berechnung des Ausgleichswertes und einer Erläuterung dieser Berechnung zur Verfügung gestellt wird.
Nachdem das Familiengericht eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich getroffen hat, hat die GmbH diese Entscheidung umzusetzen. Das heißt, dass
◗ entweder die bei ihr bestehende Versorgung geteilt wird und zwei Versorgungen weitergeführt werden oder
◗ das während der Ehezeit erworbene Anrecht bei einem anderen Versorgungsträger weitergeführt wird (externe Teilung).
Üblicherweise werden Pensionszusagen durch eine Rückdeckungsversicherung finanziert und gesichert. Der Rückdeckungsversicherer der GmbH kann die entsprechenden Werte der Rückdeckungsversicherung ermitteln und der GmbH mitteilen. Im besten Fall ist die Rückdeckungsversicherung kongruent zur Versorgungszusage und die GmbH muss für die Versorgung des Ex-Ehegatten keine zusätzlichen Finanzierungsmittel aufbringen. Bei einer Teilung der Versorgung sollte die Rückdeckungsversicherung aber auf jeden Fall den neuen Verhältnissen angepasst werden, um eine entsprechende Sicherung der beiden Versorgungen zu erhalten.
■ Heike Honderboom