Text: Rainer Rathmer
Die bekannten Regeln zu Alkohol
Die Regeln für Alkohol im Straßenverkehr sind im Grundsatz fast jedem bekannt. Ordnungswidrig handelt, wer mit 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Die entsprechende Vorschrift war im Straßenverkehrsgesetz bis vor kurzem als „0,5 Promille-Grenze“ betitelt und eine der bekanntesten gesetzlichen Vorschiften überhaupt. Wer dagegen verstößt und erwischt wird, zahlt als Ersttäter ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro und erhält neben zwei Punkten im Verkehrszentralregister ein einmonatiges Fahrverbot. Für Fahranfänger und Fahrerinnen und Fahrer unter 21 Jahren gilt sogar ein komplettes Verbot von Fahrten unter Alkohol.
Schon weniger bekannt ist, dass die nach dem Strafgesetzbuch mit Geld- oder Freiheitstrafe zu ahndende 1,1 Promille Grenze für Fahrten mit Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss bzw. die 1,6 Promille-Grenze für Fahrten mit dem Fahrrad nicht im Gesetz steht, sondern von der Rechtsprechung unter Hinzuziehung von Fachleuten entwickelt wurde. In § 316 Strafgesetzbuch heißt es lediglich: „Wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“. Weniger bekannt ist auch, dass auch trotz geringerer Alkoholisierung eine strafbare Handlung vorliegen kann: Nämlich dann, wenn Ausfallerscheinungen (unsichere Fahrweise, motorische Schwierigkeiten des Fahrers) darauf hindeuten, dass der Fahrer nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Die Folgen sind neben Geldstrafe oder Freiheitsstrafe der Entzug der Fahrerlaubnis. Anders als bei einem wegen einer Ordnungswidrigkeit verhängtem Fahrverbot (z. B. bei Verstoß gegen die 0,5-Promille-Grenze) erhält man also seinen Führerschein nicht zurück, sondern muss nach Ablauf der Sperrfrist (bei Ersttätern mindestens 6 Monate) einen neuen Führerschein bei der Straßenverkehrsbehörde beantragen.
Neue Regeln zu Cannabis
Die Rechtslage bei Fahrten unter Einfluss „anderer berauschenden Mittel“ als Alkohol ist hingegen weniger bekannt. Die über die Medien transportierten Informationen dazu haben in diesem Jahr zugenommen. Grund dafür ist die politische Diskussion und Gesetzgebung zu Cannabis, der bekanntesten und am weitesten verbreiteten nichtalkoholischen Droge.
Am 1. April ist das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)“ in Kraft getreten. Damit wurde der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften für Erwachsene erlaubt. Zum Eigenkonsum zuhause sind höchstens 50 g getrocknetes Cannabis erlaubt, bis zu 25 g dürfen unterwegs mitgeführt werden. Gleichzeitig wurde der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen, in Sichtweite von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und öffentlich zugänglichen Sportstätten und in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten. Für die vorsätzliche gewerbliche Abgabe oder die Überlassung von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln an Kinder und Jugendliche gelten jetzt höhere Strafen.
Das Cannabisgesetz vom April enthielt aber noch keine verkehrsrechtlichen Vorschriften. Diese traten im August durch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes in Kraft. Für die Feststellung der Fahrtüchtigkeit schreibt das Straßenverkehrsgesetz nun erstmalig einen zulässigen Tetrahydrocannabinol-Grenzwert (THC-Grenzwert) im Blutserum fest. Ging die Rechtsprechung bisher von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml aus, sieht das Straßenverkehrsgesetz nun einen Wert von 3,5 ng/ml THC vor. Wer diesen überschreitet und ein Fahrzeug führt, handelt ordnungswidrig. Es drohen dieselben Sanktionen wie beim Überschreiten der 0,5 Promille-Grenze bei Alkohol. Für Fahranfänger und Fahrerinnen und Fahrer unter 21 Jahren gilt ebenso wie bei Alkohol ein komplettes Verbot von Fahrten unter Einfluss von Cannabis. Der neue THC-Grenzwert ist somit das Pendant der für Alkohol geltenden 0,5 Promille-Grenze und ist jetzt auch in derselben Vorschrift geregelt (§ 24a Straßenverkehrsgesetz). Diese trägt jetzt die Überschrift „0,5 Promille-Grenze, Tetrahydrocannabinol-Grenzwert“.
Der Wert von 3,5 ng/ml wurde von einer Expertengruppe aus den Bereichen Medizin, Recht, Verkehr und Polizei empfohlen. Er entspricht der Wirkung nach einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille, heißt es in der Gesetzesbegründung. Unterhalb der Schwelle könne bei Cannabiskonsum noch kein allgemeines Unfallrisiko angenommen werden.
Einen THC-Grenzwert, bei dem man im strafrechtlichen Sinne davon ausgeht, dass der Fahrer „nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen“, also ein Pendant zur 1,1 Promille-Grenze bei Alkohol, gibt es bisher nicht. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles und der Umfang der rauschmittelbedingten Ausfallerscheinungen.
Zum Autor:
Rainer Rathmer ist Jurist in der Kraftfahrtversicherung und betreut dort alle vertragsrechtlichen Fragen inklusive der Versicherungsbedingungen. In dieser Funktion ist er beim Verband (GDV) Mitglied der Arbeitsgruppe Bedingungen und vertragliche Grundsatzfragen.