„Das Alter darf eine Rolle spielen“. Unter diesem Titel veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im letzten Jahr eine Untersuchung über die Höhe der Versicherungsbeiträge für ältere AutofahrerInnen. Hintergrund war eine „Petition gegen Altersdiskriminierung in der Kfz-Versicherung“, die der Petitionsausschuss des Bundestages beraten und dem Bundesministerium der Finanzen zugeleitet hatte.
Bei älteren VersicherungsnehmerInnen und AutofahrerInnen könne schnell der Eindruck entstehen, dass sie zu Unrecht höhere Prämien in der Autoversicherung zahlen müssen als andere Altersgruppen, so die BaFin. Der Eindruck ist aber falsch, wie die Untersuchung ergab. Die Beitragsgestaltung der Versicherer ist nicht diskriminierend und verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Wie hat die BaFin geprüft?
Untersucht hat die BaFin u. a. die Beitragsgestaltung von 40 Unternehmen mit Sitz in Deutschland und vier Niederlassungen von Versicherern mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum. Das entsprach einer Marktabdeckung von mehr als 75 Prozent der in Deutschland angebotenen Kfz-Versicherungen. In ihrer Untersuchung erläutert die BaFin den Mechanismus der Beitragskalkulation: „Eine Altersdifferenzierung ist immer dann zulässig, wenn sie auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht. … Im Versicherungswesen bilden die Schadenverläufe aus der Vergangenheit die Grundlage der Tarifierung. Versicherungsmathematiker setzen die Schadenaufwendungen zur Anzahl der Risiken ins Verhältnis, woraus sich der Schadenbedarf ergibt.“
Um kalkulatorisch möglichst stabile versicherungsmathematische Ergebnisse zu erhalten, gleichen die Autoversicherer Ihre (anonymisierten) Datensätze mit den Statistiken des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ab. Dadurch ist die Datenbasis besonders stabil und aussagekräftig. Dabei profitiert die Datenqualität des GDV u. a. davon, dass sie durch einen unabhängigen Treuhänder geprüft wird.
Ältere Versicherte profitieren von hohen Schadenfreiheitsklassen
Trotz bestimmter Alterszuschläge zahlen die 63- bis 67-Jährigen Versicherten durchschnittlich die geringsten Prämien aller Altersgruppen, so die BaFin. Über 82-Jährige zahlen zudem im Durchschnitt nur etwa halb so viel wie 18-Jährige, die nicht von hohen Schadenfreiheitsklassen profitieren können. In der Teilkaskoversicherung stellte die BaFin fest, dass die Beiträge mit zunehmendem Alter der Versicherten günstiger werden, am günstigsten in der Altersklasse ab 82 Jahren.
Im Ergebnis konnte die BaFin daher feststellen: Das Alter darf eine Rolle spielen! Denn in der Autoversicherung wird es entsprechend den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik auf der Grundlage des statistisch belegten Zahlenmaterials in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise in der Beitragskalkulation berücksichtigt.
Kfz-Versicherung muss bezahlbar bleiben
Bei ihrer Analyse der nach Altersgruppen differenzierten Schadenquoten ist der BaFin zudem aufgefallen, dass viele Unternehmen das versicherungsmathematisch zulässige Zuschlagspotential für ältere AutofahrerInnen nicht voll ausschöpfen. Die Zuschläge für das Alter fallen in der Realität geringer aus, als es aufgrund der Datengrundlage mathematisch angemessen wäre.
Das ist kein neuer Gesichtspunkt in der Beitragsgestaltung. Wesentlicher Teil der Autoversicherung ist die Kfz-Haftpflichtversicherung, die bis auf wenige Ausnahmen jedes Kraftfahrzeug, dass auf öffentlichen Straßen bewegt wird, haben muss (Pflichtversicherung). Um unangemessene Beitragsausschläge für bestimmte Gruppen zu vermeiden und die Kfz-Versicherung, insbesondere die Pflichtversicherung, stets bezahlbar zu halten, kappen die Autoversicherer Zuschläge, die eigentlich entsprechend des Schadensaufkommens mathematisch angemessen wären (z. B. für besonders junge, unerfahrene FahrerInnen oder auch für ältere FahrerInnen).
Zu einer „ungerechten“ Umverteilung von Beiträgen kommt es dadurch nicht. Denn das Fahreralter ist nur eines von vielen Merkmalen, die den Beitrag der Autoversicherung bestimmen. Weitere Merkmale sind zum Beispiel die Dauer der Schadenfreiheit (Schadenfreiheitsklasse), der Fahrzeugtyp, das Fahrzeugalter, der Wohnort des Kunden, die jährliche Fahrleistung, der Nutzerkreis und die Berufsgruppe des Versicherten (z. B. Beamter, Landwirt).
Insgesamt zeigt die Auswertung der BaFin, dass die in der Petition geäußerte Einschätzung, ältere Versicherte werden ungerecht behandelt, nicht zutrifft. Es ist wie so oft im Leben: Manchmal ist es empfehlenswert – wie es jetzt die BaFin getan hat – etwas genauer hinzuschauen, um subjektive Einschätzungen zu hinterfragen und dann sachlich richtig zu stellen.
■ Rainer Rathmer