Berlin, Mercedes-Benz Arena – lautstarke Anfeuerungsrufe und Jubelschreie. Was die Menschen in der Halle in Ekstase versetzt ist kein Basketball- oder Eishockeyspiel. In der Halle findet gerade das Finale der Weltmeisterschaft im Computerspiel „League of Legends“ statt. Heute fiebern 15.000 junge Gamer mit ihren Idolen mit und quittieren jeden Spielzug mit Applaus und Jubel. Die Halle ist an diesem Tag bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Tickets für dieses spezielle Event waren in weniger als 6 Minuten vergriffen. Wahnsinn!
Über 35 Millionen Gamer zählt allein die deutsche Bevölkerung. Dies entspricht 43 Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine Zahl, die bei vielen Menschen für Verwunderung sorgt. Außer Acht lassen sollte man diese Welt daher nicht. Auch
Unternehmer sollten sich nicht verschließen. Doch warum sind Gamer überhaupt als Zielgruppe relevant und was steckt eigentlich dahinter?
Dunkles Licht, Chips und Cola – der echte Gamer?
Chips, Cola, Keller – Kellerkinder ohne soziale Kontakte. Zugegeben, sehr extrem, aber im Kern beschreibt dies die allseits existenten Vorurteile gegenüber „Gamern“, also Menschen, die Computerspielen als ihr Hobby bezeichnen. Dabei ist Zocken schon längst kein reines „Nerd-Hobby“ mehr. Menschen aller gesellschaftlichen Schichten spielen Computerspiele. Zocken ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und akzeptiert.
Es gibt deutliche Parallelen zum klassischen Sport: Um zu gewinnen braucht es Talent und Training. Dabei kommt der Gemeinschaft eine besonders starke Gewichtung zu, denn ohne Erfahrungen anderer gewinnt es sich schwerer.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die populärsten Spiele wie „League of Legends“, „Dota2“ oder „Counter Strike“ auf Teamplay ausgelegt sind. Im Modus 5 gegen 5 spielen die Gamer in Teams um echte Meisterschaftspunkte.
Die besten Spieler schaffen es zum Profi und verdienen mit „Zocken“ ihren Lebensunterhalt. Der Tscheche Jaroslaw Jarzabkowski zum Beispiel ist einer der derzeit erfolgreichsten E-Sportler der Welt. Er ist 31 Jahre alt, verheiratet und hat 2 Kinder. Sein geschätztes Jahreseinkommen beläuft sich auf 150.000 Euro und er hat mit seiner Mannschaft schätzungsweise bereits 20 Millionen Euro Preisgeld erspielt. In den sozialen Netzwerken folgen ihm mehr als 3 Millionen Fans. Jaroslaw ist dabei kein Exot, sondern ein normaler junger Mann, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Wenn das die Menschen sind, zu denen die Gamer aufschauen, sprechen wir hier nicht mehr von den Kellerkindern oder Nerds, wir
sprechen von Superstars!
Gamer sind die Kunden von heute und morgen
Jung, digital und gebildet. Drei Charakteristika, die diese spannende Zielgruppe wohl besonders gut beschreiben. 78 Prozent der Gamer sind unter 36 Jahre alt und überdurchschnittlich gut gebildet. 77 Prozent absolvieren die Schule mit allgemeiner Hochschulreife, 38 Prozent studieren aktuell an Deutschlands Fachhochschulen und Universitäten. Der beliebteste Studiengang der Gamer ist mit Abstand das Fach IT-Wissenschaften (34 Prozent), gefolgt von den Naturwissenschaften(13 Prozent) und den Ingenieurswissenschaften (11 Prozent). Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass diese Zielgruppe über ein überdurchschnittliches Nettohaushaltseinkommen verfügt. So wird jedem Unternehmer schnell klar: Um die Gamer sollte ich mich bemühen, denn sie sind meine Kunden von morgen!
Vergessen sind die etablierten Kommunikationskanäle
Betrachtet man die Welt der Gamer genauer, wird eines sehr schnell deutlich: Die Art der Kommunikation und des Medienkonsums haben sich stark verändert. Über
„normale“ Kommunikationskanäle sind sie kaum noch zu erreichen. Dies stellt vor allem Werbetreibende vor große Herausforderungen. Während Werbebotschaften jahrzehntelang über Radio, Fernsehen und Zeitung an die Menschen herangetragen wurden, erreicht man im Zeitalter von Netflix, Spotify und Social Media gerade diese jungen Menschen kaum noch über die traditionellen Kanäle. Alles muss digital und on demand verfügbar sein. Die Streaming Plattform Twitch spielt hierbei eine zentrale Rolle. Auf Twitch werden unter anderem auch die Spiele der E-Sports-Ligen übertragen. Die Streaming-Plattform ist somit so etwas wie das Sky des E-Sports, unter Nicht-Gamern jedoch wenig bekannt.
Zahlreiche Unternehmen haben die Zielgruppe schon für sich erkannt und Twitch als Werbekanal auserkoren. Doch Vorsicht ist geboten! Gamer sind generell offen
und wohlwollend auch Werbetreibenden gegenüber, aber sehr sensibel wenn es darum geht verstanden zu werden. Fehleinschätzungen entwickeln sich schnell zu einem „Shitstorm“, wie zum Beispiel nach der Werbebotschaft von Mercedes „fast so gut wie unsere E-Klasse“, die die Zielgruppe so gar nicht lustig fand und die Werbekampagne in den sozialen Netzwerken mit viel Häme quittierte. Werbung
sollte also mit viel Feingefühl entwickelt werden und gut durchdacht sein. Eine gute Zielgruppenanalyse ist also sehr wichtig.
Wem die digitale Ansprache der Zielgruppe zu komplex ist, kann Gamern alternativ sehr gut persönlich begegnen, zum Beispiel im Rahmen der Förderung lokaler E-Sport-Veranstaltungen und -Vereine, die derzeit wie Pilze aus dem Boden sprießen.
So oder so, es lohnt sich für Sie! Schenken Sie Gamern Ihre Aufmerksamkeit, treten Sie mit ihnen in Kontakt und erfahren Sie mehr über sie. Eine sehr spannende und lohnenswerte Zielgruppe wartet nur darauf, von Ihnen erobert zu
werden. Ganz nach dem Motto: „Wer sich traut, gewinnt“.
■ Anna Juliana Bohr, Dennis Willamowski