Der Sommer hat ja dann doch noch ein Ende gefunden. Ein kurzer Rückblick in Zahlen:
In Deutschland war die Durchschnittstemperatur im Zeitraum April bis Juli mit deutlichem Abstand (3,6 Grad über dem Wert der Referenzperiode 1961 bis 1990) die höchste, die für diese Monate seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen im Jahr 1881 beobachtet wurde. Ebenso stellt der Deutsche Wetterdienst in seinen Auswertungen fest, dass für diesen Zeitraum noch nie ein so großes Niederschlagsdefizit beobachtet wurde (bis 110 mm/m²).
In den europäischen Ländern waren aufgrund der langanhaltenden Trockenheit und Hitze unter anderem historische Ernteeinbußen zu erwarten. Das genaue Ausmaß wird derzeit noch ermittelt.
Wussten Sie, dass es auch schon das Gegenteil gab? Genau, das sogenannte Jahr ohne Sommer.
Als das Jahr ohne Sommer wird das vor allem im Nordosten Amerikas und im Westen und Süden Europas ungewöhnlich kalte Jahr 1816 bezeichnet.
In den Vereinigten Staaten bekam es den Spitznamen „Eighteen hundred and froze to death“, und auch in Deutschland wurde es als das Elendsjahr „Achtzehnhundert und erfroren“ berüchtigt. Als Hauptursache wird heute der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 angesehen, der von Vulkanologen als deutlich stärker eingestuft wird als der Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 n. Chr.
Genau dieses Jahr ohne Sommer führt uns dann auch zum sogenannten Hungerbrot: Als Hungerbrot wird ein in Notzeiten gebackenes Brot bezeichnet. Teils wurde das knappe Mehl gestreckt, teils die Größe des Brotlaibs verringert, so dass man zum früheren Preis eines Brotes nur noch eine Art Semmel erhielt. Am besten ist das Phänomen eben aus dem Jahr ohne Sommer (1816) dokumentiert, aber nicht darauf beschränkt.
Überliefert sind Rezepte und Zutaten von Hungerbroten. Sie enthielten beispielsweise Sägemehl, was den Geschmack wenig beeinträchtigte, aber nur kurzfristig sättigte. In Württemberg verwendete man ausgepresste Leinsamen als Backzutat. Andere experimentierten in der Hungerkrise von 1816/1817 mit Stroh, Moos und Heu. Der Zweck dieser für den Organismus wertlosen Zutaten war, durch Ballaststoffe das Hungergefühl zu beruhigen. Wegen der Beimischung von Fasern (bis zu 25 Prozent) gingen die Brote aber nicht richtig auf, sie waren klein und hart.
Manchmal wurden Hungerbrote als Erinnerung an eine Notzeit aufbewahrt. In der Kirche St. Michael in Schwäbisch Hall steht im Chorraum der sogenannte Erntedankkasten, der vier semmelartige Hungerbrote von 1816 und Ähren der neuen Ernte des Jahres 1817 enthält.
So wird doch auch nach dem Sommer 2018 einmal mehr deutlich, warum es so etwas wie ein Erntedankfest gibt. Denn eine gute Ernte oder günstiges Wetter sind eben überhaupt nicht selbstverständlich.
Und deshalb: Lassen Sie sich Ihr Brot gut schmecken!
■ Karsten van Husen