Der US-amerikanische Präsident Donald Trump offenbart mit seinen ersten Amtshandlungen nicht nur einen nationalistischen, sondern vor allem einen protektionistischen politischen Kurs: Der Stopp des transpazifischen Handelsabkommens TPP, die Ankündigung der Neuaushandlung des nordamerikanischen Handelsabkommens NAFTA sowie von hohen Einführzöllen. Damit stellt er die Grundlagen des Freihandels in Frage. Entbrennt jetzt ein handelspolitischer Machtkampf? Oder folgt gar eine politische Kräfteverschiebung Richtung Osten?
Freier Handel mit Industrieprodukten, das ist die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung Deutschlands und Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Die Leistungsbilanz der deutschen Wirtschaft kann sich 2016 sehen lassen. Die Leistungsbilanz weist laut dem Ifo-Institut einen Überschuss von 297 Milliarden Dollar aus. Damit liegt Deutschland noch vor China. Die USA weisen mit fast 500 Milliarden Euro das größte Defizit aus: Sie konsumieren deutlich mehr als sie produzieren und verschulden sich im Ausland.
Die USA sind immer einer der großen Profiteure des Freihandels gewesen. Mit Blick auf die amerikanische Wirtschaft ist die Neuausrichtung ihrer Handelspolitik ökonomisch nicht nachvollziehbar und auch geopolitisch ein Desaster.
USA stellen Freihandel infrage – Chance für China?
Mit dem von Präsident Trump unterzeichneten Dekret gegen das transpazifische Partnerschaftsabkommen TPP Mitte Januar dieses Jahres haben die USA zahlreiche Verbündete, allen voran Japan, düpiert. Mit dieser Entscheidung haben die USA Reputation und Einfluss verloren. Das TPP war bereits ausgehandelt und die Verhandlungspartner sind den USA hinsichtlich der Öffnung ihrer Märkte, dem Schutz geistigen Eigentums und der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sehr weit entgegengekommen. Insgesamt hätte TPP Länder in einem gemeinsamen Markt vereint, die 40 Prozent des weltweiten Handels umfassen.
Das stellt auch für einige Staaten in Südostasien, insbesondere Malaysia und Vietnam, eine herben Rückschlag, dar.
Das TPP wird jetzt nur inkrafttreten können, wenn bis Februar 2018 mindestens sechs Staaten mit einer Wirtschaftskraft von über 85 Prozent unterzeichnen. Um TPP zu retten haben Australien und Neuseeland deshalb einen Beitritt Chinas ins Gespräch gebracht. Der Rückzug der USA aus TPP und der erklärte Verhandlungsstopp des transatlantischen Handelsbündnisses TTIP zeigt deutlich, dass es in Zukunft immer schwerer sein wird an China vorbeizukommen. Ein solcher Beitritt wäre allerdings aufgrund notwendiger Nachverhandlungen erst in Jahren denkbar.
Dennoch könnte jetzt die Stunde Chinas schlagen und das entstandene Machtvakuum füllen. Erste Schritte in die Richtung multinationaler Handelsabkommen scheint die Staatsführung schon vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rede von Xi Jinping, Staatspräsident und zugleich Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos erklären, in der er sein Land als Förderer des Freihandels darstellte und sich gegen Trumps Handelspolitik aussprach.
Die chinesische Staatsführung hat sich selbst ebenfalls bereits auf den Weg gemacht: Seit 2012 laufen Verhandlungen zur Regional Comprehensive Economic Parnership RCEP mit den 10 Asean-Staaten und weiteren Ländern. Dieses Abkommen würde einen riesigen Handelsblock bilden, der fast die Hälfte der Weltbevölkerung umfassen und 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung unter sich vereinen würde. Allerdings ist dieses Abkommen kein Selbstläufer und Standards, wie geistiges Eigentum oder Arbeitsschutz, wären nicht so hoch, es könnte jedoch einen starken Handelsblock gegen Europa und die USA bilden.
Reaktionen in Europa und Deutschland
Die Europäische Kommission berät bereits über eine Beteiligung beim TPP und hat eine Handelsoffensive angekündigt. Die EU verhandelt gegenwärtig fast 20 regionale und bilaterale Handelsabkommen. So sollen zum Beispiel die mit Vietnam und Singapur bald ratifiziert werden, weitere Gespräche laufen bereits mit Indonesien, Thailand, Australien und Neuseeland. Ein Abkommen mit Südkorea besteht seit Ende 2015. Und die seit vier Jahren laufenden Verhandlungen mit Japan, nach China zweigrößter Handelspartner in Asien, die wegen der mangelnden Bereitschaft zu Marktöffnung für EU-Agrarprodukte ins Stocken geraten waren, ist man bemüht erfolgreich abzuschließen.
Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die EU bezüglich der Ausrichtung der europäischen Handelspolitik durchaus nicht immer mit einer Stimme spricht. Hinzu kommt, dass es vielenorts Bedenken und Zweifel hinsichtlich der Vor- und Nachteile des freien Handels gibt. Das hat sich ganz deutlich in der Diskussion um CETA, dem geplanten Handelsabkommen zwischen EU und Kanada, gezeigt. Im EU-Parlament wird Mitte Februar über das Abkommen abgestimmt und teilweise, das heißt die unstrittigen Kapitel, in Kraft treten. Hier, wie auch bei den bevorstehenden EU-Austrittsverhandlungen mit Großbritannien, wird sich zeigen, inwiefern die EU als einheitlicher Handelsblock zusammenhalten wird.
Regionale oder bilaterale Handelsabkommen
Ist das was gegenwärtig passiert lediglich ein Schwenk hin zu bilateralen Abkommen oder schon der Abschied von regionalen Bündnissen? Das würde nicht nur eine Zersplitterung der internationalen Handelsregeln und der Handelsströme nach sich ziehen, sondern langfristig auch unseren Wohlstand in Deutschland und Europa gefährden.
Vom freien Handel profitieren nicht nur Unternehmen, die ihre Waren dort effizienter als in einem Wirrwarr bilateraler Verträge bewegen können, sondern auch Konsumenten mit niedrigem Einkommen, die auf eine qualitativ hochwertige und preiswerte Produktvielfalt zurückgreifen können. Handelsabkommen haben durch den Abbau von Zollschranken und einheitlichen Standards einen wesentlichen Anteil an den niedrigen Preisen.
Ganz klar, Deutschland muss sich, wie die EU, infolge des um sich greifenden amerikanischen Protektionismus stärker auf Asien konzentrieren und eine neue Asien- Strategie verfolgen. Nur so kann sich Deutschland als wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort international behaupten – und das auch in Zukunft.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)