In Zeiten des demographischen Wandels wird es für Unternehmen immer wichtiger, aber auch schwieriger, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Um den Auswahlprozess nicht unnötig auszudehnen und Ressourcen zu binden, gilt es, das Auswahlverfahren möglichst effektiv zu gestalten. Ein effektiver Auswahlprozess ist zum einen positives Eigenmarketing, darüber hinaus wird mit einer fundierten Personalauswahl der Grundstein für eine möglichst langfristige, erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt.
Ein Weg für eine optimierte Personalauswahl ist ein kompetenzorientiertes Auswahlverfahren.
Im deutschen Sprachgebrauch unterscheiden wir zwei Bedeutungen der Kompetenz. Einerseits kann von Kompetenz als Zuständigkeit oder Befugnis die Rede sein, andererseits wird mit Kompetenz eine Fähigkeit beschrieben. Im Rahmen der Auswahlverfahren beschäftigen wir uns mit letzterer Bedeutung, also mit der Kompetenz als Sachverstand, Vermögen oder Fähigkeit. Dabei lässt sich eine einzelne Kompetenz häufig durch ein Zusammenspiel von Fähigkeiten, Fertigkeiten und anderen Merkmalen umschreiben, die eine Person in die Lage versetzen, eine Situation effektiv zu bewältigen. Beispielhaft lässt sich dies an der sozialen Kompetenz darstellen. Über ein hohes Maß an sozialer Kompetenz verfügt ein Mitarbeiter, wenn er über verschiedene Eigenschaften verfügt wie Einfühlungsvermögen, gute Kommunikationsfähigkeit und ein umfangreiches Wissen über soziale Normen.
Hilfreich ist es, wenn einem kompetenzorientierten Auswahlverfahren bereits ein Kompetenzmodell zu Grunde liegt. Jedes Unternehmen kann für sich ein individuelles Kompetenzmodell definieren. Darin werden genau die Kompetenzen gesammelt und beschrieben, die als relevant erachtet werden um als Unternehmen erfolgreich agieren zu können. Konkret geht es also um die Kompetenzen, die Mitarbeiter benötigen um an einem bestimmten Arbeitsplatz heute und auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Diese Kompetenzen lassen sich aus einer Unternehmensstrategie und den damit verbundenen Anforderungen an die Mitarbeiter ableiten.
Unabhängig davon, ob bereits ein grundlegendes Kompetenzmodell vorhanden ist, ist die Basis für eine effektive Personalauswahl also die Identifikation der für die vakante Position relevanten Kompetenzen. Mit Hilfe einer fundierten Anforderungsanalyse und der CIT (Critial Incident Technique) lassen sich diese Kompetenzen ermitteln.
In einem fünfstufigen Prozess werden zunächst alle Tätigkeiten beschrieben, die der potenzielle Stelleninhaber ausüben wird. In einer Art Brainstorming werden dabei sowohl die Hauptaufgaben als auch jegliche Zusatz- und Sonderaufgaben gesammelt. Im zweiten Schritt werden die einzelnen Tätigkeiten zu Aufgabengruppen gebündelt und eine prozentuale Gewichtung der Aufgabengruppen vorgenommen. Diese Gewichtung dient der späteren Priorisierung der ermittelten Kompetenzen. Für jede dieser Aufgabengruppen werden im dritten Prozessschritt kritische Situationen (Critical Incidents) identifiziert. Kritisch sind die Situationen, mit denen ein Stelleninhaber typischerweise konfrontiert wird und die erfolgsrelevant sind. Aus dem erwünschten Verhalten oder der idealen Reaktion des Stelleninhabers in den jeweiligen kritischen Situationen lassen sich dann im vierten Schritt die relevanten Kompetenzen ableiten.
Welche Kompetenz braucht der Stelleninhaber um die kritische Situation bestmöglich zu lösen? Zum Abschluss des Prozesses werden die ermittelten Kompetenzen priorisiert. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit der zu besetzenden Stelle und der Ermittlung der Anforderungen und Kompetenzen werden diese nun auf das Auswahlverfahren übertragen. Sofern die Anforderungsanalyse eine Vielzahl relevanter Kompetenzen ergeben hat, sollten die fünf oder sechs wichtigsten Kompetenzen für das Auswahlverfahren bestimmt werden. Eine höhere Anzahl an Kompetenzen lässt sich in einem validen Auswahlverfahren nicht abfragen ohne die Effektivität zu gefährden. Hilfreich bei dieser Priorisierung ist die in Schritt zwei bereits vorgenommene prozentuale Gewichtung der Aufgaben.
Die in der Anforderungsanalyse identifizierten kritischen Situationen dienen im Auswahlprozess zur Ermittlung der Kompetenzen des Bewerbers.
Eine zunächst möglicherweise aufwändig erscheinende Auseinandersetzung mit den Anforderungen einer zu besetzenden Stelle lohnt sich: Die Identifikation der relevanten Eignungskriterien im Rahmen eines Kompetenzmodells und die entsprechend möglichst passgenaue Auswahl der Mitarbeiter führt auf der einen Seite zu einer höheren Leistung des einzelnen Mitarbeiters und einer höheren persönlichen Zufriedenheit. Auf der anderen Seite sichert die Qualität der Mitarbeiter und deren Identifikation mit den Unternehmenszielen nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.
Ein Kompetenzmodell ist aber nicht nur die Basis für eine erfolgreiche Personalauswahl. Es dient auch als Grundlage für viele weitere Instrumente wie Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen und Personalentwicklungsmaßnahmen. Ein Unternehmen kann in sich stimmig agieren und die Kompetenzen seiner Mitarbeiter gezielt einsetzen bzw. weiterentwickeln.
■ Silke Brune