So lautet der Slogan einer Kommunikationsinitiative, mit der der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft seit Ende 2015 in die Offensive geht. Was aber verbirgt sich hinter diesem Leitspruch?
Die Deutschen unterschätzen ihre Lebenserwartung: Im Schnitt leben sie 7 Jahre länger, als sie denken. Das ist das Ergebnis einer Studie des Munich Center for the Economics of Aging. Gefragt nach ihrer Lebenserwartung tippten Männer im Schnitt auf 75,8 Jahre, Frauen gingen von 80,3 Jahren aus. Zahlen des Statistischen Bundesamtes allerdings zeichnen ein anderes Bild: Die durchschnittliche Lebenserwartung der männlichen Studienteilnehmer lag bei 82,2 Jahren und der weiblichen bei 87,4 Jahren. Sprich: Beide Gruppen verschätzten sich – zu ihrem Nachteil – deutlich.
Warum lagen die Studienteilnehmer falsch?
Eine hohe Lebenserwartung ist ein verhältnismäßig neues Phänomen, das sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts herauskristallisiert hat. Noch im Jahr 1900 betrug die Lebenserwartung eines einjährigen Jungen 59 Jahre, die eines einjährigen Mädchen 64 Jahre. 100 Jahre später – also im Jahr 2000 – konnte ein einjähriger Junge davon ausgehen, 85,5 Jahre alt zu werden, ein einjähriges Mädchen 90 Jahre. Sprich: Die Lebenserwartung ist um mehr als ein Vierteljahrhundert angestiegen.
Und diese rosigen Aussichten betreffen beileibe nicht nur die jüngste Generation: Ein aktuell 42-jähriger Mann wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 32 Prozent das 90. Lebensjahr erreichen, eine gleichaltrige Frau sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 49 Prozent. Allerdings neigen die Menschen dazu, ihre Lebenserwartung vom Sterbealter ihrer Verwandten abzuleiten – dabei gehörten die in der Regel einer völlig anderen Generation an.
Weshalb ist die Lebenserwartung drastisch gestiegen?
Für die gestiegene Lebenserwartung in Deutschland gibt es vielerlei Gründe. Zu den Wichtigsten zählt der medizinische Fortschritt. Beispielsweise hat sich die Chance, einen Herzinfarkt zu überleben, binnen 40 Jahren verfünffacht. Und während vor 1980 mehr als zwei Drittel der Krebspatienten ihre Erkrankung nicht überlebt haben, darf heute über die Hälfte sogar auf eine vollständige Genesung hoffen. Darüber hinaus leben die Menschen deutlich gesundheitsbewusster als die der Vorgängergenerationen. Es gibt weniger Raucher, der Konsum von Obst und Gemüse hat sich seit 1935 fast verdoppelt, und obendrein treiben die Deutschen deutlich mehr Sport: Im Jahr 2014 war beinahe jeder Fünfte, der ein Sportabzeichen abgelegt hat, 65 Jahre oder älter.
Hinzu kommt, dass sich die Arbeitsbedingungen humaner als früher gestalten: Zahlreiche körperlich besonders anstrengende oder gar gefährliche Berufe gibt es schlichtweg nicht mehr, der Arbeitsschutz hat an Bedeutung gewonnen und eine Arbeitswoche von 6 oder 7 Tagen gilt längst nicht mehr als Standard. Zugleich ist die soziale Fürsorge in der Bundesrepublik deutlich besser geworden: Zum einen haben sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Laufe des 20. Jahrhunderts vervielfacht – zum anderen sorgt seit 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung dafür, dass jeder krankheits- oder altersbedingte Pflegebedürftige angemessene Hilfe bekommt.
Und was bedeutet das alles für den Einzelnen?
Die gestiegene Lebenserwartung ist Chance und Herausforderung zugleich – für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Denn die muss den entsprechenden demografischen Wandel schultern: also einen steigenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2060 kommt in Europa auf zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter ein Rentner. Aktuell liegt das Verhältnis bei fast 4:1. Das Prinzip, dass die Jüngeren die Versorgung der Älteren erwirtschaften, kann dann nicht mehr aufgehen, und das Rentenniveau sinkt. Deswegen ist jeder Einzelne gefordert und muss sich über seine gesetzliche Rente hinaus privat fürs Alter absichern.
Was gilt es noch zu bedenken?
Eigeninitiative ist indes nicht allein vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung unersetzlich. Denn die Deutschen werden nicht nur immer älter – sie erfreuen sich auch immer länger bester Gesundheit: Drei von vier der über 65-Jährigen fühlen sich laut einer Haushaltsbefragung des Statistischen Bundesamtes fit. Und daraus erwachsen ganz andere Erwartungen ans Altern, als sie die Vorgängergenerationen gehabt haben.
Der Rentner von heute reist, geht seinen Hobbys nach, studiert, engagiert sich ehrenamtlich und pflegt Freundschaften. Und der Rentner von morgen? Sieht sich mit einer problematischen Situation konfrontiert. Denn auch ein aktiver Ruhestand hat seinen Preis. Um den derzeitigen Lebensstandard später aufrechterhalten und die Rentenzeit auch auskosten zu können, gibt es demnach nur eine Lösung: private Altersvorsorge.
Und wie alt werde ich?
Auf der Kampagnenseite www.7jahrelaenger.de lädt der GDV zum Tippen ein: „Raten Sie doch mal, wie alt Sie wohl werden!“ Nach Angabe von Geburtsjahr und Geschlecht erhält der Benutzer eine Information darüber, wie gut oder schlecht er mit seiner Prognose gelegen hat – sprich: Wie alt Menschen seines Geburtsjahres und Geschlechts laut dem Statistischen Bundesamt durchschnittlich werden.
■ Katharina Fiegl