3/2015 Halbzeit: Zur Zwischenbilanz der Großen Koalition

Eurokrise, Grexit, Ukraine-Konflikt, Krieg im Irak und in Syrien, Flüchtlingswelle, Terrorgefahr für Europa: Angesichts dieser teilweise dramatischen außenpolitischen Entwicklungen und Herausforderungen, kann es fast untergehen, dass die erste Halbzeit der Großen Koalition bereits um ist. Ein Grund mehr, um noch einmal genau hinzuschauen, was bisher erreicht wurde und eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Der Deutsche Bundestag hat sich mit Beginn der zweiten Juliwoche in die parlamentarische Sommerpause verabschiedet. Damit hat die Große Koalition die erste Hälfte ihrer Amtszeit gemeistert. Trotz hervorragender wirtschaftlicher Lage und ambitionierter Reformagenda prägten aber maßgeblich vor allem außen- und europapolitische Entwicklungen die ersten knapp zwei Jahre dieser Koalition, die eher mangels Alternativen als aus einer Liebesheirat heraus entstanden ist.
Drohender Grexit – das Ringen mit Griechenland um neue Eurohilfen
Die Situation um das pleitebedrohte Griechenland ist an Dramatik kaum zu überbieten und nach über fünf Jahren bis heute nicht gelöst. Viel Vertrauen ist dabei zerstört worden. Zugesagte Reformen wurden entweder gar nicht oder nur in Ansätzen angepackt und insbesondere das absurde Verhalten der neuen griechischen Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras stellte die Koalition und ihre europäischen Partner auf eine schwere Probe, eine verantwortbare Lösung für Griechenland zu finden, um ein Chaos zu verhindern. Selbst ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, der sogenannte Grexit, ist mittlerweile zur denkbaren Option geworden. Jedoch gilt sowohl für laufendende als auch für zukünftige Gespräche weiterhin uneingeschränkt: Hilfen kann und wird es nur geben, wenn die gemeinsam vereinbarten Regeln und Reformen kontrollierbar und verlässlich eingehalten werden. Die Verhandlungen in den letzten Wochen und Monaten haben gezeigt, dass es nicht nur um Griechenland geht, sondern auch um die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union.
Internationale Krisen nicht folgenlos für Deutschland
Die Zahl der Krisen und Konflikte auf der Welt hat in den vergangenen zwei Jahren stark zugenommen: von der Ukraine über den Nahen und Mittleren Osten bis hin zu Afrika. Noch vor Kurzem war unvorstellbar, dass Russland die Krim annektiert und im Osten der Ukraine mithilfe der prorussischen Rebellen Krieg führen lässt. Die Koalition steht an dieser Stelle geschlossen hinter der Kanzlerin bei ihren Vermittlungsbemühungen zwischen Moskau und Kiew sowie ihrem Bestreben, eine politische Lösung für Syrien und die Stabilität der gesamten Region zu finden. Hierzu hilft Deutschland den Kurden im Irak im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ und hat sich entschlossen, erstmals Waffen und Ausbildungspersonal in ein Kriegsgebiet zu schicken. Auch auf dem afrikanischen Kontinent übernimmt Deutschland Verantwortung und fördert so Langzeitprogramme zur Unterstützung der Friedens- und Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union sowie leistet über die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag an den Trainingsmissionen der EU in Mali, Somalia, Dafur und im Südsudan.
Mit der zunehmenden Zahl der Konflikte wuchs aber unweigerlich auch die Zahl derjenigen Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befanden – mit direkten Auswirkungen auf Deutschland: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erwartet in diesem Jahr deutschlandweit 400.000 Erstanträge – doppelt so viele wie 2014 und acht mal so viele wie noch 2010. Auch hier wird Deutschland seiner internationalen Verantwortung gerecht und nimmt europaweit mit Abstand die meisten Flüchtlinge auf. Um aber vor allem denjenigen Schutz zu gewähren, die ihn auch tatsächlich brauchen, hat die Koalition u.a. mehr Personal beim BAFM eingestellt sowie die Balkanländer Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, um Asylverfahren zu beschleunigen. Darüber hinaus werden Länder und Kommunen mit zunächst einer Milliarde Euro dabei unterstützt, Asylbewerber unterzubringen. Auf EU-Ebene setzt sich Deutschland weiterhin für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge ein.
Terrorismus – Gefahr für Deutschland und Europa
Nicht zuletzt die brutalen Terroranschläge in Frankreich, bei denen viele Menschen ihr Leben lassen mussten, zeigen, dass Europa längst ins Fadenkreuz des internationalen Terrorismus gerückt ist. Auch Deutschland ist sich seiner Gefährdung bewusst und rüstet sich gegen den Terror: Zum einen mit einer besseren Ausstattung und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern – nicht zuletzt als Lehre aus den NSU-Mordanschlägen – sowie zum anderen durch gezielte Ausreisesperren für Dschihadisten und eine Verschärfung des Terror-Strafrechts. Außerdem fördert die Koalition eine noch intensivere internationale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste auf klarer Rechtsgrundlage und hat sich auf ein Konzept einer zeitlich und inhaltlich eng begrenzten Vorratsdatenspeicherung nach richterlicher Genehmigung verständigt, um über die systematische Auswertung von Kommunikationsdaten Hintermänner, Gehilfen und kriminelle Netzwerke aufdecken zu können.
Deutschland Stabilitätsanker für Europa und die Menschen im Land
Trotz weltweiter Krisen steht Deutschland zur Halbzeit der Wahlperiode hervorragend da. Die Zahl der Beschäftigten ist seit Jahren auf Rekordniveau. Die Wirtschaft wächst, die Einnahmen von Staat und Sozialversicherungen steigen und haben die öffentlichen Finanzen spürbar entspannt. Zum ersten Mal seit über 40 Jahren kam der Bund 2014 ohne neue Schulden aus. Das soll auch in diesem und den nächsten Jahren so bleiben. Die gute Wirtschaftsentwicklung ist das Ergebnis einer klugen Wachstumspolitik – ohne neue Schulden und ohne Steuererhöhungen. Somit ist Deutschland Vorbild und Stabilitätsgarant für Europa.
Entscheidend ist zudem, dass diese Politik auch direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt: Denn nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Realeinkommen wuchsen. Darüber hinaus bleibt den Bürgern und Familien mit der Erhöhung des steuerfreien Grund- und Kinderfreibetrags, der Anhebung des Kindergeldes und des Freibetrages für Alleinerziehende sowie dem geplanten Abbau der Kalten Progression zum 1. Januar 2016 mehr Netto vom Brutto.
Umsetzung des Koalitionsvertrages – viel erreicht, noch viel mehr vor
Die Große Koalition hat von Beginn an ein erstaunliches Tempo vorgelegt und bereits viele zentrale Reformvorhaben des Koalitionsvertrages abgearbeitet: Einführung eines Mindestlohns, dessen Höhe eine Kommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zukünftig festlegt, Verabschiedung eines Rentenpakets mit maßgeblichen Verbesserungen für alle Frauen in unserem Land durch Aufstockung der Mütterrente sowie Anpassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um den Ausbau der Erneuerbaren marktgerechter zu gestalten und in einem Rahmen zu halten, der verantwortbar und bezahlbar bleibt.
Gleichzeitig investiert die Große Koalition bis 2019 fast zehn Milliarden Euro zusätzlich in Straßen, Schienen und Wasserstraßen und hat die Ausgaben für Bildung und Forschung seit 2005 verdoppelt. Auch mit der Digitalen Agenda und der neuen Hightech-Strategie hat die Bundesregierung wichtige Leitlinien formuliert, um durch Breitbandausbau und die Digitalisierung der Produktionsprozesse weiterhin Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. An dieser Stelle spielen auch die Bürokratiebremse, die anstehende Erbschaftsteuerreform und die Freihandelsabkommen TTIP und CETA eine wichtige Rolle, damit Familienunternehmen weiterhin in unserem Land profitabel wirtschaften können.
Und auch für die zweite Hälfte der Legislatur stehen mit der Neuregelung des Fracking, der zweiten Stufe der Pflegereform, der Neustrukturierung der Krankenhausfinanzierung sowie im Bereich Tierwohl und gute Lebensmittel bereits politisch hoch sensible Vorhaben in den Startlöchern, für die die Bürgerinnen und Bürger zurecht erwarten, dass die Große Koalition für sie gute Lösungen findet.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)

IGU e. V.