2/2014 Die Krise in der Ukraine erfordert einheitliches und konsequentes Auftreten Europas

Seit Anfang des Jahres kam es zuerst auf der Krim zu einer Abspaltungsbewegung, die sich gegenwärtig in der Ostukraine mit einem weiteren Referendum fortgesetzt hat. Mit der Anerkennung der sogenannten Volksabstimmung und der Zustimmung zum Anschluss der Krim an Russland hat die russische Staatsführung nicht nur Fakten geschaffen, sondern auch Völkerrecht verletzt. Die Lage ist und bleibt unübersichtlich. Mit der Zurückhaltung des russischen Präsidenten gegenüber den Aktionen der prorussischen Separatisten, wie der Entführung der 13 OSZE-Beobachter und dem Referendum in Donezk, führt Russland den Westen vor und isoliert sich damit international immer weiter – selbst China versagte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seine Unterstützung.
Gebot der Stunde: Geschlossenheit und Solidarität
Bei diesen Zwischenfällen können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Als Europäer müssen wir eine klare und einheitliche Haltung haben und sie offen aussprechen: Bislang haben wir das erreicht, auch wenn die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Aber uns allen ist in den letzten Wochen klar vor Augen geführt worden, dass das Vorgehen Russlands durch die Anerkennung der Abspaltung der Krim von der Ukraine bislang nicht zur Deeskalation beiträgt, sondern die Destabilisierung fortschreibt.
Die gegenwärtige Situation macht deutlich, dass weder Deutschland noch Europa in der Lage wäre, der russischen Machtpolitik wirksam zu begegnen. Viele Europäer befürchten sogar, dass sich aus einem Bürgerkrieg in der Ukraine eine internationale Krise, zum Beispiel zwischen Russland und der NATO, entwickeln könnte. Deshalb ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft hier an einem Strang zieht.
In diesem Jahr erinnern wir uns an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Fall des Eisernen Vorhangs haben wir die Idee eines vereinten, friedlichen und sicheren Europas, geprägt von Wohlstand, in die Realität umgesetzt.
Deshalb kann Russland sich auch nicht in Sicherheit wiegen und erwarten, dass sein Handeln ohne Folgen bleiben wird. Wir haben aber kein Interesse daran, dass die Lage eskaliert. Ganz klar: Ein militärisches Vorgehen der EU und ihrer Partner verbietet sich von selbst.
Russlands Präsident Wladimir Putin ist dazu aufgefordert, endlich konstruktive Schritte einzuleiten, damit das Völkerrecht und unsere in Europa nach zwei schrecklichen Weltkriegen so mühsam erarbeitete multilaterale Friedensordnung wieder voll und ganz eingehalten wird.
Die Deutsche Bundesregierung setzt dabei nicht nur auf eine Doppelstrategie, sondern auf einen Dreiklang an Maßnahmen:
1. Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen lassen
Mit Besonnenheit haben die Bundesregierung und die Europäer auf die Provokationen reagiert und sind mit dem russischen Präsidenten Putin im Gespräch geblieben. Bis heute wurde keine Tür zugeschlagen, auch wenn die ersten Genfer Gespräche Mitte April mit der Einigung auf Gewaltverzicht, um die Krise zu entschärfen, nicht fruchteten. An den Gesprächen hatten Russland, die Ukraine, die USA und die EU sich auf einen Gewaltverzicht zur Entschärfung der Krise geeinigt. Auch wenn dies bislang nicht in die Realität umgesetzt werden konnte: Eine Verhandlungslösung ist noch immer möglich. Deshalb sollte eine erneute diplomatische Initiative in Form eines zweiten Genfer Gesprächs stattfinden.
2. Unterstützung der Ukraine
Ebenso wichtig ist es, den Menschen in der Ukraine zu helfen. Sie haben sich mutig und entschieden für einen proeuropäischen Kurs ihres Landes eingesetzt. Das Land verdient unsere Solidarität und Hilfe. Deshalb sind die EU-Hilfen für die Ukraine auch richtig. Die Hilfe darf nicht in die falschen Kanäle laufen. Europa muss sich engagieren, damit der Übergangsprozess in der Ukraine gelingt.
3. Sanktionen gegen Russland
Wir alle wissen, dass in einer wirtschaftlich vernetzten Welt Sanktionen nicht nur eine Seite treffen. Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen. Zwar ist Russland für Deutschland ein wichtiger Handelspartner, bezogen auf die weltweiten Geschäftsbeziehungen der deutschen Exportwirtschaft ist die Verflechtung jedoch überschaubar. Die ersten Beschlüsse der EU dazu sprechen eine deutliche Sprache. Die Sanktionen haben Russland bislang zu keinem Einlenken bewogen. Darum müssen wir behutsam mit diesem Mittel umgehen. Russlands Politik muss mit Nachdruck, aber auch mit Weisheit begegnet werden. Deshalb sind Geduld und gute Nerven angebracht. Den größten Schaden wird Russland am Ende selbst tragen müssen. Denn Russland hat sich als ein Land erwiesen, welches das Recht nicht achten will. Das wird viele Investoren davon abhalten, sich dort zu engagieren.
Politische Lösung für die Ukraine
Der Frieden in der Europäischen Union mit seinen 28 Mitgliedstaaten ist Ausdruck für eine aktive und umsichtige Europapolitik, die dazu führte, dass zum Beispiel mit dem Beitritt Estlands, Lettlands, Litauens, Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens im Jahr 2004 die Spaltung Europas in Ost und West überwunden wurde.
Für eine Lösung in der Ukraine ist es deshalb wichtig, dass wir in der EU weiterhin mit einer Stimme sprechen. Nur so wird man der russischen Machtpolitik Einhalt gebieten können, damit sie auch künftig vor den Grenzen der EU halt macht. Jenseits dieser Grenzen, in Weißrussland, in der Ukraine oder auf dem Kaukasus sind Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und der friedliche Ausgleich von Interessen dagegen nach wie vor keine Selbstverständlichkeiten.
Die Menschen in der Ukraine verdienen und benötigen die Solidarität und die Hilfe der Europäischen Union.
von Franz-Josef Holzenkamp (MdB)

IGU e. V.