1/2012 Finanzmarktstabilisierung – Für Vertrauen auf dem Finanzmarkt

Das deutsche Finanzsystem ist insgesamt stabil. Es gibt derzeit keine Anzeichen einer Kreditklemme für deutsche Unternehmen. Allerdings sind die Auswirkungen der Schuldenkrise in Europa nicht zu unterschätzen. Die Entwicklungen in einigen Ländern der Eurozone haben gezeigt, dass die Währungsunion in der Form, wie sie ursprünglich aufgestellt war, so nicht dauerhaft existieren kann. Hier müssen langfristige Maßnahmen, wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), die Reduzierung der Staatsverschuldung und die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik etabliert werden, um den Euroraum wieder zu stabilisieren.
Die größte Herausforderung der letzten Monate ist zweifellos die Überwindung der Krise im Euro-Raum. Der Deutsche Bundestag hat sich in mehreren Abstimmungen und mit großer Mehrheit klar für die Zukunft eines gemeinsamen Europas bekannt. Vielen Abgeordneten ist die Unterstützung nicht leicht gefallen, weil hier riesige Summen zur Disposition stehen und keiner genau sagen kann, was noch vor uns liegt – mir ging es da nicht anders.
Aber die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat gezeigt, dass ein Abwarten unkontrollierbare und teure Folgen haben kann. Der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers folgte ein weltweiter Schock: Staaten und Notenbanken pumpten Milliarden in die Märkte, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Und die Schuldenkrise im Euro-Raum hat offengelegt, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde: erstens eine übermäßige Staatsverschuldung, zweitens eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in einigen Staaten und drittens grundlegende Mängel in der Konstruktion der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.

Um die Stabilität, Einheit und Integrität zu schützen, brauchen wir ein Gesamtpaket. Deshalb war die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone, den Euro und das Euro-Währungsgebiet zu schützen, richtig. Dieses Paket muss ein Vertrauenssignal geben, um die Zahlungsfähigkeit der Euro-Länder zu wahren, die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt zu sichern und damit eine weitere Ausbreitung der Schuldenkrise zu verhindern.

Die damalige Situation verlangte nach einer schnellen Reaktion und brachte den temporären Rettungsschirm als Ad-hoc-Instrument hervor. Dieser eignete sich zwar dazu, die Zahlungsunfähigkeit in Griechenland, Irland und Portugal abzuwenden, stellte aber zu keinem Zeitpunkt eine Alternative für einen permanenten Schutz- und Nothilfemechanismus dar.

Der jetzt auf europäischer Ebene unterschriebene ESMVertrag gibt ein deutliches Signal für die Stabilisierung Europas. Der ESM schafft eine neue internationale Finanzinstitution, mit der akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder ab Juli 2012 kurzfristig und mit einem flexiblen Instrumentarium unterstützt werden können. Ein Nichthandeln könnte einen möglichen Flächenbrand mit unabsehbaren Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte nach sich ziehen.

Das Ziel ist eine kurzfristige punktgenaue Krisenhilfe und keine dauerhafte Alimentierung von Staaten. Der ESM darf daher nicht isoliert betrachtet werden. Die Währungsunion kann nur funktionieren, wenn jedes Mitglied aus eigener Kraft solide wirtschaftet und wettbewerbsfähig ist. Deshalb ist der am 30. Januar von den Staats- und Regierungschefs fast aller Mitgliedstaaten beschlossene Fiskalvertrag ein weiterer grundlegender Baustein für die Stabilität. Die Einführung von Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild ist eine entscheidende Weichenstellung für die Stabilisierung des Euros. Der Vertrag beinhaltet auch Maßnahmen für eine verbesserte wirtschaftspolitische Koordinierung.

Voraussetzungen für ESM-Hilfen

Mit der Verknüpfung zum Fiskalpakt werden die Euro-Staaten zur Einführung nationaler Schuldenbremsen − 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes − verpflichtet. Darüber hinaus erhält ein betroffener Mitgliedsstaat nur Hilfe durch den ESM,
■ wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität in der Eurozone unabdingbar ist,
■ auf einen Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes hin,
■ auf der Basis einer Bewertung, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist,
■ gegen Erfüllung von Auflagen, zum Beispiel im Rahmen eines strikten wirtschafts- und finanzpolitischen Reform- und Anpassungsprogramms, das die ESM-Inanspruchnahme für eine Regierung wenig attraktiv macht, und schließlich
■ generell nach einstimmiger Entscheidung – Ausnahme: Für besonders dringliche Entscheidungen über die Gewährung von Finanzhilfen ist ein Eilabstimmungsverfahren mit einer qualifizierten Mehrheit von 85 Prozent der Kapitalanteile vorgesehen. Es gilt das Prinzip: Solidarität nur gegen entsprechende Eigenanstrengungen des betroffenen Landes. Nur dann erhält das in Schieflage geratene Land Finanzhilfen, die verzinst zurückzuzahlen sind und deshalb keine Transfers darstellen. Eine Inanspruchnahme ist also nur bei Erfüllung strikter Auflagen möglich, die durch die Europäische Kommission – in Zusammenarbeit mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF – überwacht wird.

Gesamtstrategie zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion

Der europäische Rettungsschirm ist Teil einer umfassenden Gesamtstrategie zur Reform und Stabilisierung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, den die Staats- und Regierungschefs der EU entworfen haben. Diese Gesamtstrategie umfasst neben den Krisenbewältigungsmechanismen im Krisenfall insbesondere folgende Maßnahmen zur Krisenprävention:

1. Staatsverschuldung reduzieren und vermeiden durch eine Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts,

2. Wirtschaftspolitik koordinieren durch ein neues Verfahren zur Überwachung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und einen europäischen Planungs- und Berichtszyklus („Europäisches Semester“) und Wettbewerbsfähigkeit ausbauen durch eine gemeinsame Wachstumsstrategie und einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit („Euro-Plus-Pakt“),

3. Finanzmarkt stabilisieren durch eine neue europäische Finanzmarktaufsicht, effektive Belastungstests für Banken und Versicherungsunternehmen und strengere Regulierung des Finanzsektors (unter anderem durch neue Eigenkapitalvorschriften für Banken, weniger spekulativeFinanzprodukte und neue Gesetze zur Bankenrestrukturierung).

Die Bekämpfung der Krise muss bei den Ursachen der Krise in den Mitgliedsländern ansetzen. Hier ist gemeinschaftliches Handeln und Eigenverantwortung gefragt. Deshalb muss alles daran gesetzt werden, dass eine Stabilitätsunion mit einem Fiskalpakt und einer stärkeren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit geschaffen wird. Denn ein weiterer Vertrauensverlust in das Finanzsystem wird sich drastischer auf Wachstum und Beschäftigung auswirken – und damit auf unsere öffentlichen Haushalte und den Steuerzahler.

Franz-Josef Holzenkamp
(MdB)

IGU e. V.