2/2011 Arzt gesucht! – Zukunft der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum

Rund 3.600 Landarztstellen sind vakant und aufgrund des hohen Alters der Landärzte werden es immer mehr. Dabei gibt es mit 320.000 praktizierenden Ärzten so viele wie noch nie in Deutschland. Es gibt keinen Ärztemangel in Deutschland, sondern in erster Linie gibt es ein Verteilungsproblem. Dem soll mit den Eckpunkten des Versorgungsgesetz begegnet werden.

Der oft beklagte Ärztemangel gehört in vielen Regionen Deutschlands längst zum Alltag. Sogar Schwerkranke müssen oft wochen- oder gar monatelang auf einen Termin warten. Viele der Landärzte sind hoffnungslos überlastet.

So kann es nicht weitergehen. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Deshalb wurde noch unter Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler das sogenannte GKV-Versorgungsgesetz ausgearbeitet, das von der christlich-liberalen Koalition beschlossen wurde.

Bei den Eckpunkten des Versorgungsgesetzes, das zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, handelt es sich um Maßnahmen, mit denen Anreize für Ärzte geschaffen werden, sich auf dem Land und in strukturschwachen Stadtteilen  niederzulassen. Nach monatelangen Verhandlungen ist dieser Schritt ein gutes Signal für die Menschen auf dem Land. Denn in den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass es besonderer Anreize bedarf, junge Ärzte zu einer Tätigkeit in ländlichen Regionen zu motivieren.

Oberstes Ziel: Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung

Ausgangspunkt für die künftige ärztliche Bedarfsplanung muss der tatsächliche Bedarf in einer Region sein, auf den regional flexibel reagiert werden kann: Das Oldenburger Münsterland braucht andere Lösungen als Berlin. Es muss von den Bedürfnissen der Patienten ausgegangen werden.

Deshalb müssen die Planungsbezirke für die ambulante ärztliche Versorgung so geordnet werden, dass auch auf dem Land eine ausreichende Zahl von Ärzten tätig wird. Dafür werden Bezirke, die heute das Gebiet eines Landkreises oder einer Stadtregion wie Hannover umfassen, verkleinert. Denn es hat sich gezeigt, dass es trotz statistischer Überversorgung in einem Planungsbezirk zu einer Unterversorgung in Teilen kommen kann.

Weil die Länder Mitspracherecht bei der Bedarfsplanung einforderten, waren die Verhandlungen über die Ausgestaltung der gesetzlichen Maßnahmen zur Behebung des Ärztemangels monatelang blockiert. Jetzt hat man sich aber einigen können: Die Länder erhalten Mitspracherecht auf Bundesebene und die Möglichkeit, auf Landesebene von den bundeseinheitlichen Planungsvorgaben abzuweichen. Die Bedarfsplanung wird flexibler. Im Sinne des Patienten.

Weitere Schwerpunkte des geplanten Versorgungsgesetzes:

Attraktivität des Arztberufes steigern

◗ Den Nachwuchs durch weniger strikte Zulassungsvoraussetzungen und Vorabquoten für Studenten, die sich verpflichten, später Landarzt zu werden, sowie mehr Studienplätze zu fördern.

◗ Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch längere Vertretungszeiten nach der Entbindung und Einstellung eines Assistenten verbessern.

◗ Finanzielle Anreize schaffen, damit sich junge Ärzte auf dem Land niederlassen.

◗ Die Residenzpflicht für Vertragsärzte wird grundsätzlich aufgehoben.

◗ Keine Honorarobergrenzen für Landärzte. Nach den Steigerungen der letzten Jahre ist genug Geld für die ärztliche Vergütung da.

◗ Die ambulante Notfallversorgung soll über eine bessere Kooperation mit den Krankenhäusern sicher gestellt werden.

◗ Auch die mobilen Versorgungskonzepte sollen ausgebaut werden, damit die vertragsärztliche Berufsausübung flexibilisiert werden kann. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können Praxen errichten und Ärzte einstellen. Gelingt das nicht, können die Kommunen selbst aktiv werden.

Ambulante spezialärztliche Versorgung optimieren

Da Patienten oft eine unzureichende Kommunikation und Kooperation zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen und Apotheken während ihrer Behandlung kritisieren, soll zukünftig eine Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung eine abgestimmte Versorgung sicherstellen. Für die spezialärztliche Versorgung, zum Beispiel bei Krebs oder bei seltenen Erkrankungen oder komplexen ambulanten Operationen, soll ein neuer Bereich geschaffen werden, der eine Vernetzung von Krankenhaus und niedergelassener Facharztpraxis schafft.

Verbesserung der Versorgungsrealität der Patienten

Patienten und Ärzte äußern häufig die Sorge, dass notwendige Arznei- und Heilmittel nicht verschrieben werden, da den behandelnden Ärzten sonst hohe Regressforderungen drohen würden. Diese Sorge wird ernst genommen. Das Ziel des Gesetzentwurfs ist eine gute Versorgung für die Patienten. Besondere Belastungen zum Beispiel durch Langzeitverschreibungen und die Betreuung eines Pflegeheims sollen zukünftig berücksichtigt werden und nicht zum Regress führen. Trotzdem sind Regelungen notwendig, die zu einem wirtschaftlichen Einsatz von kostenintensiven Medikamenten führen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Diese müssen in einem angemessenen Zeitrahmen bleiben. Deshalb sind die Krankenkassen aufgefordert, für ihre Versicherten ein Angebot zur Vermittlung zeitnaher Behandlungstermine beim Arzt, zum Beispiel durch die Einrichtung einer Hotline oder entsprechender Rahmenverträge mit der Ärzteschaft, zu entwickeln.

Nach jahrelangen Debatten über die Finanzierung und Strukturreformen in der Gesetzlichen Krankenversicherung werden jetzt endlich Maßnahmen umgesetzt, die den Patienten im Alltag Verbesserungen bringen. Ob diese allerdings ausreichen werden, wird sich zeigen. Auf jeden Fall ist es der richtige Schritt. Natürlich gibt es mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2012 nicht sofort mehr Ärzte, die im ländlichen Raum praktizieren werden. Die Beseitigung des Ärztemangels wird Zeit brauchen.

Franz-Josef Holzenkamp
(MdB)

IGU e. V.