1/2009 Einflussnahme des Staates auf Banken

In der öffentlichen Diskussion wurde die staatliche Einflussnahme auf Banken und Unternehmen wie zum Beispiel Opel stark und kontrovers diskutiert. Die Forderung nach Gleichbehandlung von Finanzinstituten und Unternehmen geht am Kern der Sache vorbei. Der Finanzmarkt ist der Blutkreislauf der Wirtschaft. Er versorgt die Wirtschaft mit finanziellen Mitteln. Ohne einen funktionierenden Finanzmarkt ist auch erfolgreiches Wirtschaften nicht mehr möglich.

Die Rettung der Hypo Real Estate Bank durch staatliches Eingreifen ist im Interesse der Stabilisierung der Finanzmärkte und zur Sicherung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger unabdingbar: Sie sichert die Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaft. In der sozialen Marktwirtschaft ist ohne ein funktionsfähiges Bankensystem kein nachhaltiges Wachstum möglich. Dabei lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass es Verantwortung und Sicherheit nicht zum Nulltarif gibt. Die Insolvenz der HRE mit einer Bilanzsumme von 400 Milliarden Euro würde zu unabsehbaren Konsequenzen für Banken, Versicherungen und Kommunen in Deutschland führen. Wichtige Märkte wie zum Beispiel der Pfandbriefmarkt als bedeutendes Refinanzierungsinstrument wären mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammengebrochen. Vor diesem Hintergrund darf im Notfall auch eine Enteignung der Kapitaleigner nicht ausgeschlossen werden.

Bricht ein großes Finanzinstitut zusammen, gehen Einlagen in Milliardenhöhe verloren. Aufgrund der engen Verflechtungen im Finanzmarkt kann das leicht zu Zusammenbrüchen weiterer Banken führen. Eine Abwärtsspirale aus immer neuen materiellen Schäden sowie einem zunehmenden Vertrauensverlust im Finanzsystem würde sich immer schneller drehen. Nicht nur die Schäden wären kaum bezifferbar, es wäre die gesamte Realwirtschaft betroffen.

Staatliche Eingriffe sind sorgfältig und einzeln abzuwägen. Teilverstaatlichungen im Finanzsektor stehen in dieser Situation nicht im Widerspruch zur Marktwirtschaft. Ein funktionierendes Bankensystem ist ein öffentliches Gut des Wirtschaftskreislaufes. Staatliche Eingriffe sollten trotzdem nur ergänzend vorgenommen und auf ein Minimum beschränkt werden. Das ist die Politik den Steuerzahlern und Marktteilnehmern schuldig.

Darüber hinaus wird die Gewährung von Finanzhilfen für Banken an Bedingungen geknüpft. Staatsbeteiligungen am Eigenkapital sind mitunter unvermeidlich für die Fortführung der Kreditvergabe. Sie müssen zeitlich begrenzt sein und verzinst werden. Daneben werden Liquiditätshilfen mit Gebühren versehen und die Vergütungen der Verantwortlichen streng dem Unternehmenserfolg angepasst.

Die anhaltende Krise stellt uns alle vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Am Anfang stand die Finanzkrise, die jetzt mit einer Rezession sowie einer Strukturkrise im Automobilbau einhergeht. Dabei gestaltet sich die notwendige internationale Koordination zeitaufwendig und wird dadurch erschwert, dass jeder Staat zunächst seine eigenen nationalen Interessen verfolgt. Dabei ist insbesondere aus Sicht einer Exportnation wie Deutschland von elementarer Bedeutung, international protektionistische Maßnahmen zu verhindern.
Außerhalb des Banken- und Finanzsektors steht aber nicht die Funktionsfähigkeit ganzer Märkte auf dem Spiel, wenn einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. Deshalb sind direkte Beteiligungen des Bundes an einzelnen Unternehmen der Realwirtschaft abzulehnen. Vertretbar sind – wie im Falle Opel – gegebenenfalls staatliche Bürgschaften im Rahmen einer Gesamtlösung bei Beteiligung privater Geld- und Kreditgeber auf der Basis eines überzeugenden Unternehmenskonzeptes. Für solche Fälle wurden zum Beispiel mit der Ausweitung der KfW-Programme entsprechende Voraussetzungen geschaffen.

Das vom Bundestag verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz bringt umfangreiche und notwendige Nachbesserungen des im Oktober verabschiedeten Banken-Rettungsschirms.

Zentrale Neuerung ist die Möglichkeit zur vorübergehenden Verstaatlichung angeschlagener Banken, wenn diese unverzichtbar für das Funktionieren der Finanzmärkte sind und sich der Staat auf keinem anderen Weg die Kontrolle sichern kann. Es ist zwingend erforderlich, dass vor einer Enteignung eine Hauptversammlung einberufen wurde und mit den Anteilseignern verhandelt worden ist. Nur wenn diese Wege scheitern, darf eine Enteignung als Ultima Ratio zum Zuge kommen. Im Falle der Enteignung erfolgt die im Grundgesetz vorgeschriebene Entschädigung der enteigneten Aktionäre, wobei sich die Höhe der Entschädigung in der Regel am durchschnittlichen Börsenkurs in den zwei Wochen vor dem Regierungsbeschluss bemisst. Ist die Bank nachhaltig stabilisiert, privatisiert der Bund die Anteile wieder. Der Bund muss alles tun, um Enteignung möglichst zu vermeiden und sich nach Bewältigung der Krise aus diesem Engagement wieder zurückziehen.
Natürlich müssen Unternehmenszusammenbrüche außerhalb des Finanzsektors vermieden werden,  wo immer möglich. Es darf aber nicht überschätzt werden, was der Bund leisten kann. Ad hoc ist es zum Beispiel schwer möglich, unternehmerische Entwicklungen zu beurteilen und Geschäftsperspektiven abzuwägen. Die Fachleute sitzen in den Unternehmen, in Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Ihre Erfahrung ist für die Lösung unverzichtbar. Deshalb ist die Kreditvergabe durch den Staat klar begrenzt und grundsätzlich als Kofinanzierungsinstrument ausgelegt. Staatsbürgschaften bei denen der Staat für Forderungsausfälle eintritt, haben sich seit  je her bewährt. Aber trotz ihrer Priorität dürfen Bürgschaften nicht beliebig gewährt werden. Auch hier gelten klare und allgemeingültige Spielregeln.

Die zentrale Aufgabe der Politik ist jetzt, denjenigen Unternehmen Hilfe zukommen zu lassen, die unverschuldet in Finanzschwierigkeiten geraten sind. Die knappen staatlichen Ressourcen dürfen nicht diejenigen erhalten, die aufgrund der eigenen Geschäftspolitik in Schieflage geraten sind. Einen Freibrief für einzelne Unternehmen auf Kosten der Bürger darf und wird es nicht geben. Es gilt, die Krise zu überbrücken und alles dafür zu tun, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze am Standort Deutschland zu halten. Sich dem Strukturwandel in den Weg zu stellen und marode Unternehmen ohne Zukunftsperspektive zu stützen, erzeugt dagegen Anpassungslasten für zukünftige Generationen.

Die soziale Marktwirtschaft hat in Deutschland in den vergangenen sechzig Jahren für klare Regeln gesorgt und den Menschen Wohlstand und Lebensqualität gebracht. Für die derzeitige Krise ist sie nicht verantwortlich. Natürlich schlägt die Finanzmarktkrise auch bei uns durch: Die Märkte sind stärker als jemals zuvor miteinander verflochten. Deshalb ist es unabdingbar, dass die Politik ein internationales Regelwerk aufbaut, um Verwerfungen und Exzesse dieses Ausmaßes in Zukunft zu vermeiden.

Franz-Josef Holzenkamp

IGU e. V.