
Mit den Veränderungen ist das ja so eine Sache. Einige kommen wie gerufen, andere wiederum passen uns dann im gegebenen Moment oder auch einfach überhaupt nicht in den Kram. Doch die Ursache unseres Unmuts liegt im Kern oft nicht in der anstehenden Veränderung selbst, sondern in unserer Einteilung in gut oder schlecht begründet. Wir übersehen, dass Veränderung einfach ein Naturgesetz ist und ständig stattfindet.
Dabei ist diese Erkenntnis ja ein alter Hut, denn „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, wusste schon Heraklit zu berichten. Dieses berühmte Zitat des griechischen Philosophen hat auch nach zweieinhalbtausend Jahren nichts an Gültigkeit eingebüßt.
Nachfolgend Zahlen und Fakten zu Veränderungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Auch wenn es vielleicht eher als eine kurze Zeitspanne erscheint, so kann man doch deutlich erkennen, wie rasant sich unser Alltag innerhalb eines Jahrzehntes wandelt:
„Panta rhei. Alles fließt“, ist ebenfalls ein Ausspruch, der Heraklit zugeschrieben wird, und so starten wir direkt mit einem Vergleich der Trinkgewohnheiten:
Biergenuss ja, Alkohol nein. Die Produktion von alkoholfreiem Bier ist in Deutschland in den letzten zehn Jahren gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Internationalen Tags des Bieres am 7. August mitteilt, sind im Jahr 2019 gut 4,2 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier produziert worden. Damit hat sich die zum Absatz bestimmte Produktionsmenge seit 2009 fast verdoppelt (+ 97 Prozent). (Quelle: Pressemitteilung Nr. N 046 des Statistischen Bundesamtes vom 6. August 2020)
Auch bei den Essgewohnheiten gibt es deutliche Veränderungen, was die steigende Anzahl vegan-vegetarisch lebender Menschen verdeutlicht.
In Deutschland geht der Interessenverband ProVeg von rund 8 Millionen Menschen aus, die sich vegetarisch ernähren. Das sind etwa 10 Prozent der Bevölkerung. 2011 belief sich die Schätzung des damals noch Vegetarierbund (VEBU) genannten Vereins auf 6 Millionen Vegetarier – sowie auf etwa 60 000 Veganer. Inzwischen ernähren sich circa 1–2 Prozent der Bevölkerung rein pflanzlich, also vegan. Tendenz steigend. Auch global ist der vegane Trend zu erkennen. Die Anzahl der vegan beziehungsweise vegetarisch lebenden Menschen wird weltweit auf eine Milliarde geschätzt. (Quelle: Skopos (2016): 1,3 Millionen Deutsche leben vegan. Online unter: https://www. skopos-group.de/news/13-millionen-deutsche-leben-vegan.html)
Nun von den analogen zu den digitalen Gewohnheiten:
Bei der Internetnutzung wird in Deutschland in absehbarer Zeit die 100-Prozent Marke erreicht sein: Das Statistische Bundesamt hat zur Entwicklung der Internetnutzung von Personen ab 10 Jahren einen Anstieg von 75 Prozent im Jahr 2010 auf 90 Prozent im Jahr 2020 ermittelt.
Drei von vier Bundesbürgern nutzen inzwischen ein Smartphone. Das entspricht 53 Millionen Menschen, wie es vom IT-Branchenverband Bitkom heißt. 2015 waren es 65 Prozent und 2012 erst 36 Prozent. Der Siegeszug der sogenannten Smartphones begann aber auch erst 2007 mit der Einführung des iPhones von Apple.
Noch schneller verändern sich die Dinge bei den smarten Gesundheitsgeräten:
Das Überwachen der eigenen Gesundheit ist für viele Menschen ein wichtiges Thema. Mit dem Internet verbundene Geräte können dabei die Vorsorge oder Behandlung im Alltag erleichtern. Das Statistische Bundesamt hat im Jahr 2020 erstmals Daten zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in privaten Haushalten erhoben: 3,4 Millionen Menschen in Deutschland nutzten im 1. Quartal 2020 smarte Geräte zur Überwachung von Blutdruck, Blutzucker, Körpergewicht oder andere Geräte aus dem Bereich Gesundheit und medizinische Vorsorge. Dies entsprach knapp 5 Prozent der Bevölkerung ab 10 Jahren in Deutschland.
Während internetfähige Gesundheitsgeräte bislang eher selten genutzt werden, sind Smartwatches, Fitnessarmbänder und Co. deutlich verbreiteter. Sie wurden im 1. Quartal 2020 von 15,5 Millionen Menschen verwendet. Das entspricht einem Anteil von 21 Prozent der Bevölkerung ab 10 Jahren. (Quelle: Pressemitteilung Nr. 078 des Statistischen Bundesamtes vom 22. Februar 2021)
Es ist übrigens nicht nötig, sich all die zuvor aufgeführten Zahlen und Prozentsätze zu merken – sie werden sich garantiert wieder verändern!
■ Karsten van Husen
Wir alle erleben tagtäglich Veränderungsprozesse. Manchmal sind sie von uns aktiv angestoßen, manchmal von anderen Menschen und manchmal brechen sie über uns herein, wie zum Beispiel die Coronapandemie.
Wenn Unternehmen Veränderungen einleiten, ist das in vielen Fällen mit Widerständen verbunden. Doch was passiert eigentlich mit uns, wenn wir (ungewollte) Veränderungsprozesse durchlaufen? Welche psychologischen Mechanismen laufen ab? Der schwedische Psychologe Claes F. Janssen hat hierzu in Anlehnung an die Change-Kurve der bekannten Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross ein sehr eingängiges Modell entwickelt: das Haus der Veränderung. Dieses Modell betrachtet im Kern die Gefühlszustände, die jemand durchlebt, der/die sich in einem Veränderungsprozess befindet.
Ein Beispiel: Die neue Software
Nehmen wir als Beispiel einen Veränderungsprozess dergestalt, dass in einem Unternehmen eine neue Software eingeführt wird, die einen langjährigen Prozess automatisiert.
Aus Sicht der von der Veränderung betroffenen Mitarbeitenden stellt dies möglicherweise eine völlig unnötige Investition dar, denn „es läuft ja alles“. Das Zimmer der Zufriedenheit, des gewohnten Ablaufes, ist ein sehr bequemes Zimmer.
Nun mehren sich aber die Zeichen, dass diese Software dennoch eingeführt werden soll. Erste Stimmen werden laut, die diese Zeichen herunterspielen (Verleugnung) oder sich vehement gegen die Anschaffung aussprechen (Ablehnung). Der nächste Schritt vom Zimmer der Zufriedenheit in das Zimmer der Verleugnung/Ablehnung ist damit getan.
Nun kann man verleugnen oder ablehnen, irgendwann wird klar, dass sich definitiv etwas ändern wird (die Software ist gekauft). Die Betroffenen sind verwirrt, weil der alte Status quo nicht mehr gehalten werden kann und eine Veränderung unausweichlich ist. Fragen tauchen auf. „Wie sollen die neuen Prozesse aussehen?“ „Werde ich mit der Software umgehen können?“ Ein Gefühl des Verlustes (das gute „Alte“ geht verloren) und der Unsicherheit macht sich breit. Willkommen im Zimmer der Verwirrung.
Elisabeth Kübler-Ross hat in ihrer Change-Kurve diesen Zustand übrigens als „Tal der Tränen“ bezeichnet. Doch keine Angst. Dieses Tal der Tränen ebnet den Weg in das Zimmer der Erneuerung. Durch Akzeptanz der Veränderung, Hinzugewinnen von neuen Kompetenzen (die Software ist ja doch kein Buch mit sieben Siegeln) und Zurückgewinnen von Kontrolle steigt die Zufriedenheit, so dass dann das „Neue“ irgendwann das „Gewohnte“ wird und man den Übergang ins Zimmer der Zufriedenheit geschafft hat.
Zusätzlich werden oft noch Zimmer wie der Sonnenbalkon oder der Kerker der Ablehnung und das Loch der Erstarrung (Paralyse) benannt, welches extreme Ausprägungen einzelner Zimmer sind. Diese hier im Einzelnen aufzuführen, würde allerdings die Länge dieses Artikels sprengen.
Gefühle werden greif- und besprechbarer
Das Modell vermittelt ein grundlegendes Verständnis davon, was im Veränderungsprozess mit den Menschen passieren könnte. Wichtig ist dabei, Klarheit darüber zu haben, dass sich nicht alle Mitarbeitenden zeitgleich und in gleicher Ausprägung in einem Zimmer befinden. In der Regel ist es so, dass sie sich in verschiedenen Räumen aufhalten. Denn die Mitarbeitenden bringen eine unterschiedliche Grundhaltung gegenüber Veränderungsprozessen mit oder erleben die Begleitung durch die Führungskräfte auf verschiedene Art und Weise. Auch die Übergänge in die Zimmer sind manchmal fließend, oft befinden sich die Menschen, die Veränderungsprozesse erleben, in einer Art Übergangszustand zwischen den Zimmern.
Dennoch hilft die Auseinandersetzung mit dem Modell, um sich auf die zu erwartenden Dynamiken im Veränderungsprozess einzustellen. Das Modell ist intuitiv begreifbar und einfach und ermöglicht so den Unternehmern/Führungskräften, schnell mit ihren Mitarbeitenden zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen.
Durch die bildliche Darstellung der Gefühlszustände mit Räumen fällt es vielen Betroffenen leichter, ihre Gefühle in Worte zu fassen und damit auch greifbarer und besprechbarer zu machen.
Allein die Erkenntnis, dass dieses Gefühls-Wirrwarr ein normaler Prozess ist, den fast jede/r durchläuft (übrigens auch Führungskräfte), nimmt oft etwas von dem Druck, den eine ungewollte Veränderung auslöst. Denn wenn wir es nüchtern betrachten, können wir uns Veränderungen selten entziehen, aber wir können sie häufig gestalten.
Um es mit den Worten des griechischen Philosophen Heraklit zu beschreiben: „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“

■ Silvia Wiefel